Die neuartige Verbindungstechnologie des Hybriden Bondens ermöglicht bis zu mehreren Millionen hochminiaturisierter elektrischer Kontaktierungen zwischen einzelnen Bauelementen der Mikroelektronik. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten etwa für die mikroelektronische 3D-Integration oder für innovative Chiplet-Konzepte. Für den Bondprozess entscheidend ist dabei die Qualität der Wafer- und Kontaktoberflächen. Im Projekt »HyBond« entwickeln Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) innovative Analyseverfahren zur Qualitätssicherung beim Hybriden Bonden.
Halbleiter-Wafer bilden das zentrale Ausgangsmaterial für die Herstellungsverfahren der Mikroelektronik. Auf diesen dünnen Scheiben, meist aus Silizium, werden die einzelnen Chips prozessiert, welche die für die Funktion erforderlichen integrierten Schaltungen (ICs) enthalten. Um Chips direkt miteinander oder über ein gemeinsames Trägersubstrat elektrisch zu verbinden, kommen bisher Kontaktierungstechniken mit Hilfe von z.B. feinsten Bonddrähten oder miniaturisierten Lotkontakten zum Einsatz. Der mechanische 3D-Aufbau gestapelter Chips oder die Befestigung der einzelnen ICs auf einem Substrat wird dabei meist durch Klebetechnologien unterstützt.
Für spezielle Anwendungsbereiche, zum Beispiel für die Fertigung mikromechanischer Sensoren der Mikrosystemtechnik, wurden in der Vergangenheit alternative Verbindungsverfahren für das Stapeln von Wafern und Chips entwickelt. So beruht das Verfahren des »direkten Waferbondens« auf der spontanen Ausbildung von chemischen Bindungen in der gemeinsamen Grenzfläche, unterstützt durch thermische Behandlungen, wenn zwei reine und ebene Waferoberflächen miteinander kontaktiert werden. Bisher wurde diese Methode allerdings nur für den rein mechanischen Aufbau solcher Bauelemente oder für die Herstellung großflächiger Schichtsubstrate eingesetzt, nicht jedoch auch für den Zweck der elektrischen Kontaktierung.
Als neue hochinnovative Technologie kombiniert das »Hybride Bonden« nun die beiden Funktionen von mechanischer Verbindungsbildung und elektrischer Kontaktierung zwischen den vielen einzelnen Anschlussflächen der Chips. Im Labormaßstab ermöglicht der Prozess heute bereits die Herstellung und gegenseitige elektrische Verbindung von IC-Kontaktflächen mit Dimensionen von etwa einem halben Mikrometer Länge und Abstand. Dies bedeutet, dass auf einem Quadratmillimeter Chipoberfläche eine Million einzelner elektrischer Kontaktstellen erzeugt und diese mit einem vertikal »face-to-face« applizierten zweiten Chip elektrisch verbunden werden können. Durch diese große Kontaktdichte, aber auch durch die verkürzten Signalwege zwischen den jeweils gegenüberliegenden Bereichen beider Chips, werden sowohl eine gleichzeitige parallele Übertragung vieler einzelner elektronischer Signale wie auch sehr hohe Geschwindigkeiten der Signalübertragung für ein elektronisches Zusammenwirken unterschiedlicher Halbleiter-Bausteine ermöglicht.
Diese Fähigkeiten stellen fundamentale Voraussetzungen für zentrale Zukunftskonzepte in der Mikroelektronik dar, die auf der 3D-Integration von Bauelementen und insbesondere der Chiplet-Architektur beruhen. Dieses Konzept nutzt eine Aufteilung von immer komplexer und größer werdender Einzelchips in kleinere teilfunktionale Halbleiterbauelemente, die als Chiplets bezeichnet werden. Auf Systemebene können durch die Aufspaltung von komplizierten »System on-Chip«-Bauelementen in kleinere Chiplets deutlich schnellere Entwicklungszeiten, kostengünstigere Fertigungsprozesse, flexiblere Lieferketten und eine einfachere Anpassung an die Erfordernisse unterschiedlicher Kunden realisiert werden. Damit wird dem aktuellen hohen Entwicklungsdruck im Markt Rechnung getragen, der durch den extremen Rechenleistungsbedarf bedingt durch Anwendungen der künstlichen Intelligenz aber auch in mobilen Anwendungen, z.B. für das hochautomatisierte oder autonome Fahren getrieben wird.
Die Nutzung des Chiplet-Konzepts erfordert jedoch, dass für das Zusammenwirken separierter Chiplet-Halbleiterbauelemente eine Performance hinsichtlich Signaldichte und Signalgeschwindigkeit erreicht wird, die mit den bisher eingesetzten monolithischen Bausteinen vergleichbar ist. Die dafür benötigten hohen elektrischen Verbindungsdichten sind mit bisherigen Lotkontakt-Technologien nicht erreichbar und können nur durch hybride Bondverfahren realisiert werden. Neben sehr leistungsfähigen komplexen mikroelektronischen Systemen profitieren auch Speicherbausteine und Halbleiter-Bildsensoren von der neuen Technologie. Insgesamt stellt daher das Hybride Bonden eine Schlüsseltechnologie innerhalb der aktuellen Entwicklungen in der Mikroelektronik dar.
Technisch bestehen die Wafer- bzw. Chipoberflächen aus einer Schicht eines elektrisch nicht leitfähigen, meist silikatischen Dielektrikums, das die eingebetteten miniaturisierten elektrischen Kontaktflächen aus Kupfer voneinander isoliert. Im ersten Schritt erfordert das Hybride Bonden einen spezialisierten Polierprozess, der für eine hohe Qualität hinsichtlich Ebenheit und geringster Rauheit der Dielektrikum-Oberfläche sorgt. Während des Polierens müssen aber auch die einzelnen Kupferflächen gezielt etwas stärker abgetragen werden, so dass ihr Niveau im Ergebnis wenige Nanometer unterhalb der Dielektrikums-Oberfläche liegt. Auf diesen Schritt folgen komplexe chemische Reinigungs- und Vorbehandlungsprozesse der Oberfläche inklusive einer Plasmaprozessierung zur Aktivierung des Dielektrikums. Im Anschluss werden Wafer oder Chips mit sehr hoher Genauigkeit übereinander positioniert und in Kontakt gebracht.
Nachfolgend laufen nacheinander zwei getrennte Verbindungsprozesse in der gemeinsamen Fügefläche ab. Zuerst werden - unterstützt über verschiedene Temperaturprozesse - nur die dielektrischen Kontaktbereiche der beiden Bauelemente durch direktes Waferbonden verbunden, ohne dass dabei eine Kontaktierung der Kupferflächen erfolgt. Dies sorgt für die mechanische Stabilität und die elektrische Isolierung der noch zu bildenden Anschlüsse. Im zweiten Schritt wird eine weitere Behandlung bei einer höheren Temperatur durchgeführt. Infolge der thermischen Ausdehnung wird nun auch eine gegenseitige mechanische Kontaktierung der Kupferbereiche erreicht und durch folgende temperaturunterstützte Diffusionsprozesse eine stabile metallische und elektrisch gut leitfähige Verbindung gebildet. Im Ergebnis können die komplexen Kontakt- und Leitbahnsysteme der beiden übereinander positionierten Chips durch hunderttausende bis Millionen von Einzelkontakten miteinander vernetzt werden.
»Waferbonding-Verfahren waren bisher üblich etwa für Halbleiter-Bauteile, die als Sensoren im Auto beispielsweise für Airbag, ABS, ESP oder Motorsteuerung im Antriebsstrang eingesetzt werden. Durch das Hybride Bonden hat diese Verbindungstechnologie ein völlig neues Level erreicht. Es ist jetzt ein sehr wichtiger Baustein, um die innovativsten Integrationskonzepte an der weltweiten Spitze der Mikroelektronik möglich zu machen, etwa hochkompakte Silizium-Bauelemente aus variabel integrierbaren Chiplets. Fragestellungen zur Prozessbewertung sowie zur Qualitäts- und Zuverlässigkeitssicherung, für die wir bereits langjährige und große Expertise haben, gewinnen damit ebenfalls noch einmal an Bedeutung«, sagt Falk Naumann, der das bis Januar 2028 laufende Projekt am Fraunhofer IMWS betreut.
Die elektrische und mechanische Verbindung entsteht beim hybriden Bonden nicht durch eine Zwischenschicht (wie beim Fügen durch Löten), sondern durch eine direkte atomistische Wechselwirkung zwischen den Kontaktflächen. Es ist also umso wichtiger, deren Qualität und Eignung für den Prozess nachzuweisen. Ebenso bedeutend ist es, mögliche Defektbildungen und Wechselwirkungen der Waferoberflächen mit Folgeprozessen erkennen, aufklären und somit verhindern zu können. Eine entscheidende Rolle spielen deshalb die Oberflächen- und Materialeigenschaften der Wafer, die das Kontaktverhalten bestimmen.
Denn sowohl die Dielektrika-Materialien als auch die Kupfer-Kontakte verändern sich bereits bei der Vorbehandlung, ebenso im eigentlichen Bond-Prozess. »Mit unserer technischen Ausstattung und unseren Vorkenntnissen haben wir ideale Möglichkeiten, das gegenseitige Wechselspiel zwischen Materialoberfläche und Plasmaaktivierung sowie die Reaktionen beim Bonden in der Grenzfläche zu verstehen. So können wir beispielsweise Empfehlungen geben, welche Materialien als Dielektrika besonders geeignet sind und wie Plasmaprozesse ausgelegt werden sollten, um gute Ergebnisse zu erzielen«, sagt Naumann. »Die Entwicklung neuartiger Dielektrika, die gezielt auf den Waferoberflächen abgeschieden werden können und zugleich den hohen Anforderungen an die Isolationseigenschaften der vielen benachbarten Kontakte sowie an die mechanische Stabilität genügen, ist ein elementarer Schritt für die Weiterentwicklung des Hybriden Bondens. Auch die auftretenden Materialreaktionen bei der elektrischen Kontaktbildung der metallischen Kupferflächen müssen im Detail beherrscht und verstanden werden. Dabei können wir unterstützen.«
Zum Einsatz kommen dabei Verfahren modernster Oberflächenanalytik wie Flugzeit-Massenspektrometrie (englisch: Time-of-Flight Secondary Ion Mass Spectrometry, ToF-SIMS) oder Röntgenphotoelektronenspektroskopie (englisch: X-ray photoelectron spectroscopy, XPS). Um die Ergebnisse in Beziehung zu den finalen Resultaten des Bondprozesses zu setzen (etwa entstandene Defekte oder die tatsächlich erzeugte atomare Bindungsfestigkeit auf Wafer- und Chip-Level) werden die mikrostrukturellen Eigenschaften der gebondeten Grenzfläche beispielsweise mittels Rastertransmissionselektronenmikroskopie (englisch: Scanning Transmission Electron Microscopy STEM), energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) und Elektronenenergieverlustspektroskopie (englisch: Electron Energy Loss Spectroscopy, EELS) untersucht. Zur Defektlokalisierung werden Methoden der hochauflösenden akustischen Rastermikroskopie (englisch: Scanning Acoustic Microscopy, SAM) weiterentwickelt. Auch die Kompetenzen für hochpräzise Präparationsverfahren mittels Metallographie, Laser- und (fokussierender) Ionenstrahltechniken sowie Methoden zur Festigkeitsanalyse mittels spezialisierter Tests und bruchmechanischer Modellierung sollen im Projekt weiterentwickelt werden.
»Die neuen Anwendungsfelder, für die das Hybride Bonden eingesetzt wird, bringen große Herausforderungen für die erforderlichen Analyse- und Bewertungsverfahren in Prozessentwicklung und Qualitätssicherung mit sich. Wir können die nötigen Analyse-, Mess- und Prüfverfahren auf den Weg bringen, um Materialien, Herstellungsverfahren und ihre Wechselwirkungen charakterisieren, verstehen und optimieren zu können. Mit dem Aufbau einer innovativen, kombinierten Materialdiagnostikplattform ist es uns möglich, die hoch komplexen Technologieentwicklungen im Bereich des Hybriden Bondens durch Mikrostrukturdiagnostik, Prozessbewertung und Fehleranalyse umfassend zu unterstützen. Dadurch leisten wir einen sehr wichtigen Beitrag für neue Hochleistungsanwendungen in der Kooperation mit international führenden Forschungspartnern sowie Unternehmen und stärken unsere Rolle in einem absoluten Zukunftsthema der Mikroelektronik«, sagt Naumann.
(27. Oktober 2025)