Neues Geschäftsfeld am Fraunhofer IMWS

Verbesserte Gläser, neue Laserbearbeitungssysteme, maßgeschneiderte Glaskeramiken: Mit dem neuen Geschäftsfeld »Optische Materialien und Technologien« erweitert das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS sein Angebot. Bei einer Festveranstaltung zur Eröffnung wurden die Möglichkeiten vorgestellt, die sich für optische Industrie, Lackhersteller respektive Produzenten von Spezialmaschinen künftig in der Mikrostrukturdiagnostik und mikrostrukturbasierten Materialentwicklung bieten. Dazu tragen auch leistungsstarke neue Großgeräte bei.

Optische Materialien Glasmusik
© Fraunhofer IMWS
Mit seiner Glasharmonika bereicherte Bruno Kliegl das Rahmenprogramm der Eröffnungsveranstaltung.
FE-TEM Hitachi Glas Optische Materialien
© Fraunhofer IMWS
Für die Arbeiten im neuen Geschäftsfeld wird das Rastertransmissionselektronenmikroskop Hitachi HF5000 zur Verfügung stehen, das erste Modell in Europa.

Wer bei »Glas« zuerst an Trinkgefäße oder Fenster denkt, der sollte vielleicht einmal der Musik von Bruno Kliegl begegnen. Der Musiker aus Augsburg entlockt der im 18. Jahrhundert erfundenen Glasharmonika durch Anschlagen und Reiben von gläsernen Schalen traumhafte Klänge und zeigt damit: Glas kann man hören.

Sein Programm passte damit ideal zum Festkolloquium, mit dem das Fraunhofer IMWS heute den Start des neuen Geschäftsfelds »Optische Materialien und Technologien« gefeiert hat. Denn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts wollen künftig zeigen: Aus Glas – ebenso wie aus Keramik oder Beschichtungswerkstoffen – lässt sich noch viel mehr herausholen. »Wir beschäftigen uns am Institut seit 25 Jahren mit der Analyse von Effektpigmenten und haben in diesem Bereich viele Kompetenzen und Ideen entwickelt. Im neuen Geschäftsfeld können wir diese auf andere Bereiche übertragen. Um es mit einem Begriff aus der Optik zu sagen: Wir erweitern unser Spektrum«, erklärt Prof. Thomas Höche die Motivation für den Ausbau des Portfolios der anwendungsorientierten Materialforschung in Halle (Saale). Der Physiker ist seit 2010 am Fraunhofer IMWS tätig und leitet das neue Geschäftsfeld.

Die besondere Expertise seines Teams liegt dabei in der Kenntnis der Mikrostruktur von Materialien. Basierend auf Verfahren der Nano- und Oberflächenanalytik lassen sich Erkenntnisse über das Mikrogefüge von Gläsern, Glaskeramiken, optischen Schichten oder Effektpigmenten gewinnen, die eine Verbesserung von deren Eigenschaften erlauben. Die Fachleute am Fraunhofer IMWS betrachten für Unternehmen beispielsweise aus der optischen Industrie, dem Spezialmaschinenbau und der Lackindustrie die komplette Wertschöpfungskette von der Synthese über die Prozessierung und Analytik bis hin zur Simulation. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung laserbasierter Materialbearbeitungsprozesse.

»In vielen Werkstoffklassen bieten wir unseren Kunden nicht nur die reine Materialcharakterisierung an, sondern erschließen neue Möglichkeiten für die Materialentwicklung durch mikrostrukturbasiertes Materialdesign. So können wir neue Eigenschaften von Werkstoffen möglich machen, Entwicklungszeiten verkürzen, die Ressourceneffizienz verbessern und nicht zuletzt die Wertschöpfungstiefe vergrößern«, sagt Prof. Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer IMWS, das mit dem neuen Bereich nun über sieben Geschäftsfelder verfügt.

Sinnbild für die neuen Tätigkeitsfelder ist das erweiterte Gebäude des Instituts, das seinerseits über eine große Glasfront verfügt. Diese ist nicht nur Blickfang, sondern Symbol für die hier verfolgten Fragestellungen: So wie Passanten die Tätigkeiten der Forschenden beobachten können, so blicken die derzeit 17 Mitarbeitenden im Geschäftsfeld »Optische Materialien und Technologien« in Materialien hinein – ausgestattet mit optimalen Arbeitsbedingungen und erstklassigem Equipment.

Zur Eröffnung wurden leistungsstarke neue Großgeräte in Betrieb genommen. Dazu gehört mit dem HITACHI HF 5000 das erste Rastertransmissionselektronenmikroskop dieses Modelltyps in Europa. Dr. Indrajit Dutta (Corning, Inc.) erläuterte in einem Vortrag, welche Möglichkeiten die durchstrahlende Elektronenmikroskopie zur Analyse von Gläsern und Glaskeramiken bietet. Die Potenziale des Gasclusterionen-Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometers, das nun ebenfalls am Fraunhofer IMWS verfügbar ist, für die Oberflächenanalytik stellte Dr. Sabine Hirth (BASF AG) vor. Dr. Grigore Moldovan (point electronic GmbH) blickte auf die Entwicklung quantitativer Elektronendetektoren für die Rasterelektronenmikroskopie und damit auf eine weitere Technologie, die das neue Geschäftsfeld nutzen wird. Zudem steht in Halle (Saale) nunmehr eine Induktionsschmelze-Anlage zur Verfügung, mit der sich eigenschaftsangepasste optische Gläser und Glaskeramiken synthetisieren lassen.

Mit LEAZitTM, einer neuartigen Glaskeramik mit geringer Wärmeausdehnung, und microPREPTM, einem laserbasierten Probenpräparationsgerät für die Mikrostrukturdiagnostik, haben die Mitarbeitenden des neuen Geschäftsfeldes bereits nachgewiesen, wie leistungsfähig die von ihnen entwickelten Lösungen sind. Ersteres wurde mit dem Hugo-Junkers-Preis des Landes Sachsen-Anhalt  als bestes Projekt der angewandten Forschung 2018 ausgezeichnet, Letzteres mit dem ersten Platz beim Innovationspreis 2018 des TÜV Süd geehrt. »Diese Ideen wollen wir weiterentwickeln und auch neue Anwendungsfelder erschließen. Ich denke an die besonderen präparativen und analytischen Herausforderungen hybrider Systeme, in denen organische mit anorganischen Materialien kombiniert sind«, sagt Höche. Glasklar: Von ihm und seinem Team dürfen die Auftraggeber in Zukunft genauso viel Kreativität und Leidenschaft erwarten, wie sie Bruno Kliegl an seiner Glasharmonika demonstriert.