Softwaretools als Ausgangsbasis für neue Methoden zur Reduzierung des Reifenabriebs

Mikroplastik findet sich fast überall in der Natur. Eine im Rahmen des mFUND Programms des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr erstellte Studie besagt, dass die häufigste Quelle von Mikroplastikpartikeln in der Umwelt der Abrieb von Autoreifen ist. Wie kann man durch die Inlinemessung des Abriebs am Reifen Wege finden, die Emissionen von Mikropartikeln zu reduzieren? Dieser Frage gehen das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und die Rösler Tyre Innovators GmbH & Co. KG zusammen mit drei weiteren Projektpartnern nach. Das Projekt »KI-RAM« wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 1,7 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.

© Rösler Tyre Innovators GmbH & Co. KG
Abriebsensor in der Lauffläche eines Nutzfahrzeugs.
© Prüflabor Nord GmbH (Abschlussbericht BMBF-Projekt EKORUND)
Infrarot-Aufnahmen von Reifenlaufflächen.

Jahr für Jahr erhöht sich die Anzahl der Autos auf unseren Straßen und damit auch der Bedarf an Neu- und Ersatzreifen. 2022 lag die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge bei 48,5 Mio. (PKW) bzw. 3,8 Mio. (LKW und Sattelzüge). Gemäß Bundesumweltamt haben die Bestände seit 2008 in allen Bereichen zugenommen: PKW um 18 %, LKW um 51 % und andere Fahrzeuge um über 22 %. Für 2022 gehen die Prognosen allein im Ersatzgeschäft daher von 45 Mio. PKW-Reifen und 2,8 Mio. LKW-Reifen aus. Mehr Reifen bringen erhöhten Abrieb mit sich, denn während der Fahrt wird das Gummi der Reifen durch den Kontakt mit der Straße abgerieben. Dabei lösen sich kleinste Gummipartikel ab und gelangen in die Umwelt. Bei Regen werden diese kleinsten Teilchen von der Straße gespült und finden sich so schließlich auch in Gewässern und Böden wieder. Wie viel Reifenabrieb entsteht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie zum Beispiel der Art des Straßenbelags, dem Reifendruck, dem Wetter sowie dem Fahrverhalten und der Geschwindigkeit.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Projektes »KI-basierte Lösungen zur Reduzierung von Abrieb und verkehrsbedingten Mikroplastikemissionen« (KI-RAM) sollen nun Wege gefunden werden, Reifenabrieb zu reduzieren. Online erfasste Daten zum Abrieb unter realen Bedingungen, Aussagen zu den Faktoren, die den Abrieb entscheidend beeinflussen, und vorhersagende Softwaretools sollen die Ausgangsbasis für neue Methoden zur Reduzierung des Reifenabriebs bilden. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines KI-basierten Softwaretools, das mit Hilfe eines neuartigen Reifenabriebsensors Daten zum Abrieb sammelt und diese mit Straßen- und Wetterbedingungen sowie Informationen zum Fahrverhalten verknüpft. Zusätzlich werden Laborindikatoren zum Abriebverhalten der im Reifen verwendeten Kautschukmischungen erhoben. Die Ergebnisse sollen mehr Aufschluss darüber geben, welche Faktoren den Reifenabrieb beeinflussen sowie Vorhersagen zum Abrieb in unterschiedlichen Situationen und Vergleiche der Abriebperformance verschiedener Reifenarten ermöglichen, um so letztendlich den Abrieb zu minimieren. »Mittels eines KI-basierten Softwaretools werden in Feldversuchen generierte Daten mit Straßen- und Wetterdaten des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr verknüpft. Zusammen mit ergänzenden Daten zum Fahrverhalten und zur Reifenmischung sollen KI-basierte Vorhersagen zum Reifenabrieb möglich werden«, sagt Paul Rösler, Geschäftsführer der Rösler Tyre Innovators GmbH & Co. KG und Verbundkoordinator für das Projekt »KI-RAM«.

Das Fraunhofer IMWS bringt seine breite Expertise im Bereich der Bewertung und Optimierung von Kautschukmischungen für Reifenlaufflächen und seine Kenntnisse im Bereich Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz in das Projekt ein. Im Projekt wird die Aussagekraft verschiedenster Laborindikatoren für den Abrieb von Kautschukmischungen mit den Ergebnissen aus Feldversuchen an Reifen verglichen. Dabei kommt auch der dem Fraunhofer IMWS seit Ende 2022 am Fraunhofer PAZ in Schkopau zur Verfügung stehende Kautschukmischsaal mit Tandemkneterlinie zum Einsatz. »Einen Schwerpunkt der Materialforschungsaktivitäten des Fraunhofer IMWS bilden seit vielen Jahren Projekte zum Verständnis und zur Optimierung von Verstärkung, Dissipation und Abrieb in Kautschukcompounds sowie die Entwicklung bildgebender Verfahren zur Beschreibung der Füllstoffdispersion auf verschiedenen Längenskalen. Das Projekt »KI-RAM« bietet uns eine sehr gute Möglichkeit unsere Expertise einzubringen und zu erweitern.« sagt Mario Beiner, Gruppenleiter »Polymerbasiertes Materialdesign« am Fraunhofer IMWS.

Zu den Projektpartnern zählen neben dem Fraunhofer IMWS, die Rösler Tyre Innovators GmbH & Co. KG, die iMES Solutions GmbH, die DENKweit GmbH und die Universität Paderborn. Durch die Rösler Tyre Innovators GmbH & Co. KG wird dem Projektkonsortium ein Inline-Abriebsensor für LKW zur Verfügung stehen, welcher die Daten zum Reifenabrieb während der Fahrt erfasst und an eine Auswertestation im Fahrzeug überträgt. Dieser Sensor wird im Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn weiterentwickelt und optimiert. Die iMES Solutions GmbH übernimmt im Projekt die KI-basierte Analyse von online erfassten Daten zum Reifenabrieb, Wetter und Straßenbelag und Fahrverhalten, um den Hauptursachen des Abriebs auf die Spur zu kommen. Die DENKweit GMBH bringt Ihre Expertise im Bereich der KI-basierten Bildauswertung ein und widmet sich der Entwicklung eines neuen Messverfahrens zur Abriebbewertung von Reifen auf der Basis von Infrarotbildern.

Mit einem öffentlichen Kick-Off Meeting, an dem unter anderem Vertreter des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und des Umweltbundesamtes sowie des Projektträgers TÜV Rheinland Consulting GmbH teilnahmen, startet das Projekt. Anwesend waren auch Vertreter vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV), vom Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. (wdk), der Deutschen Kautschuk Gesellschaft e.V. Ost (DGK Ost) und vom Cluster IT Mitteldeutschland. In seinem Grußwort unterstrich Dr. Jürgen Ude, Staatssekretär, Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Sachsen-Anhalt, Stabsstelle für Großinvestitionen und Strukturwandel, die Relevanz der Forschungsaktivitäten für den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier.