Gemeinsam mit dem Otto-Schott-Institut in Jena wurde eine neuartige, niedrigdehnende Glaskeramik entwickelt – die erste ihrer Art, 50 Jahre nach Zerodur, Ceran & Co.
Als Materialien ohne signifikante thermische Ausdehnung werden häufig Glaskeramiken eingesetzt. Diese sind besonders thermoschockbeständig und ändern ihre Form auch bei Temperaturschwankungen nicht. Deshalb werden sie zum Beispiel in Glaskeramikkochfeldern, Teleskopspiegeln oder Spiegeln für die Lithographie eingesetzt. Die Erzeugung solcher Glaskeramiken ist im Prinzip recht einfach. Man erzeugt fein verteilte Kristalle mit negativer thermischer Ausdehnung in einem Glas mit positiver thermischer Ausdehnung; am Ende resultiert daraus ein null- oder niedrigdehnendes Material. Das Hauptproblem stellt jedoch die Erzeugung geeigneter Kristalle mit negativer thermischer Dehnung dar. Letztere basieren traditionell auf hochschmelzenden Lithiumalumosilicaten. Andere Kristallphasen mit negativer thermischer Ausdehnung, die sich aus silicatischen Gläsern auskristallisieren lassen, waren bis vor Kurzem nicht bekannt.
Im Rahmen unserer Forschung wurde ein neues kristallines Material mit der Zusammensetzung Ba1-xSrxZn2Si2O7 und eben dieser seltenen Eigenschaft gefunden. Es ist seit mehr als 50 Jahren das erste neue negativ dehnende Silicat mit dem Namen LEAZitTM (von engl. Low Expansion Alkaline Earth Zinc Silicate). Von großem Vorteil ist, dass sich das Ausdehnungsverhalten in weiten Temperaturbereichen variabel einstellen lässt. Das Kristallisationsverhalten dieser neuen Glaskeramik musste in den vergangenen Jahren vollständig neu erforscht werden mit dem Ziel, möglichst kleine und fein verteilte Kristalle im Glas auszuscheiden. Um die Bildung von Mikrorissen, welche die mechanischen Eigenschaften verschlechtern, zu verhindern, müssen fein im Volumen verteilte mikroskopisch kleine Kristalle erzeugt werden. Dafür benötigt man Keimbildner, die durch eine Wärmebehandlung des Glases zu einem Ausscheiden winzigster Kristalle im Glasvolumen führen. Auf diesen extrem kleinen Keimkristallen können dann die eigentlich gewünschten Kristalle aufwachsen. Konventionell übliche Keimbildner wie ZrO2 oder TiO2 funktionieren in dem neuen Glassystem jedoch nicht, sodass erst durch das Screening von zwei Dutzend Keimbildnersystemen eine praxistaugliche Kombination identifiziert werden konnte. Hierbei ermöglichte der entwicklungsbegleitende Einsatz von hochauflösenden Mikrostrukturanalysetechniken (beispielsweise analytische Transmissionselektronenmikroskopie) eine massive Beschleunigung der Optimierungsarbeiten, sodass letztlich in gerade einmal eineinhalb Jahren Entwicklungszeit ein praxistaugliches Material entwickelt werden konnte.
Durch die am Fraunhofer IMWS verfügbaren Induktionsschmelz- und Temperanlagen kann die LEAZitTM-Glaskeramik individuell an geforderte Eigenschaftsprofile angepasst werden.