Interview mit Ralph Gottschalg

»Wir haben die regionale Kooperation erheblich ausgebaut«

Ralph Gottschalg
© Fraunhofer CSP
Prof. Dr. Ralph Gottschalg

Was waren aus Sicht des Fraunhofer CSP die Höhepunkte des Jahres 2023?

Für die Fragestellung der Polymerlebensdauer in Photovoltaikmodulen haben wir in mehreren Projekten sehr wichtige Ergebnisse erzielt. Unsere Expertise in diesem Bereich hat mittlerweile eine Ausprägung und Sichtbarkeit, die uns in vielen Fällen zum ersten Ansprechpartner dafür macht. Wir nähern uns damit weiter dem Ziel, tatsächliche Zuverlässigkeitsvorhersagen für Polymermaterialien beim Einsatz in Modulen machen zu können. Damit können wir einen erheblichen Beitrag zur Kostensenkung in der Solarindustrie leisten. Ein Highlight war auch der Start des Fraunhofer-Verbundvorhabens »HySecunda«: In einem Konsortium von neun Fraunhofer-Instituten und der Fraunhofer Academy haben wir dabei die Federführung, um Lösungen für die Produktion von grünem Wasserstoff in Südafrika zu unterstützen. Sehr zukunftsweisend waren aus meiner Sicht auch die Aktivitäten zur Stärkung und Vernetzung der mitteldeutschen Solarindustrie. Wir konnten uns hier beispielsweise bei einer Veranstaltung mit Thomas Wünsch, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-​Anhalt, einbringen. Auch unsere traditionellen PV Days haben wir stärker auf diesen Fokus ausgerichtet.

Welche Angebote des Fraunhofer CSP sind bei Kunden besonders gefragt?

Ein Schwerpunkt sind die bereits erwähnten Arbeiten zu Verifikation von Polymermaterialen. Häufig werden etwa für Rückseitenfolien von Modulen noch Folien genutzt, bei denen die Art der verwendeten Polymere und ihr Verhalten und Zusammenspiel während des Produktionsprozesses und später im Einsatz im Feld nicht klar sind. Hier leisten wir für unsere Kunden sehr wichtige Unterstützung bei der Qualitätskontrolle. Wir haben am Fraunhofer CSP einzigartige Möglichkeiten, nicht nur die einzelnen Polymere zu identifizieren, sondern auch die quantitativen Anteile in einer Materialmischung zu bestimmen. Das ist besonders wichtig für die Additive, die zwar häufig nur einen geringen Anteil am Gesamtvolumen haben, aber entscheidend für die Funktionalität sein können. Besondere Expertise haben wir auch bei der Bewertung von Solarzellen auf mögliche Verletzungen geistigen Eigentums im Schichtstapel aufgebaut. Kunden können durch uns prüfen lassen, ob beispielsweise Konkurrenten missbräuchlich durch Patente geschützte Technologien verwendet haben. Mit einem weltweit einmaligen Workflow können wir dabei Proben aus Solarmodulen extrahieren und mikrostrukturell auf Patentverletzungen hin analysieren.

Mit den Änderungen beim Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und dem von der Bundesregierung im August beschlossenen Solarpaket haben sich wichtige Rahmenbedingungen für die Photovoltaik in Deutschland geändert. Wie bewerten Sie das?

Grundsätzlich ist es erfreulich, dass der Stellenwert der Photovoltaik damit weiter steigt. Ihre unverzichtbare Rolle beim Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland ist damit untermauert, wobei wir als Fraunhofer CSP unterstützen möchten. Ausmaß und Geschwindigkeit des nötigen Ausbaus bringen aber zwei zentrale Herausforderungen mit sich, die noch nicht vollständig erkannt oder gar gelöst sind. Erstens muss die Netzkapazität mindestens im selben Tempo ausgebaut und auch das Management der Netze noch besser an die fluktuierende Erzeugung angepasst werden. Meiner Ansicht könnten hier entsprechende Investitionen sogar mittelfristig zu sinkenden Strompreisen führen. Zweitens werden die angestrebten Kapazitäten zur Erzeugung nur zuverlässig zur Verfügung stehen, wenn im schnell wachsenden Markt auch die Qualitätsaspekte ausreichend berücksichtigt werden. Hier gibt es sowohl einen Mangel an Fachkräften, etwa zur fachgerechten Installation von Modulen, als auch die Tendenz, beim Blick auf möglichst geringe Modulkosten eventuelle Risiken bei Zuverlässigkeit oder Lebensdauer auszublenden. Das ist oft zu kurzsichtig, nicht nur für die einzelnen Anlagenbetreiber, sondern auch im Hinblick auf das Energiesystem insgesamt.

Worauf freuen Sie sich im neuen Jahr und was wird 2024 eine besondere Herausforderung?

Ich bin sehr motiviert, durch die Vertiefung der regionalen Partnerschaften im Solarcluster die Umsetzung der Energiewende auf regionaler Ebene unterstützen zu können. Herausfordernd bleibt in meinen Augen das politische Ziel, die Produktion von Solarmodulen in Europa zu stärken und auszubauen. So wichtig das für die Energiesouveränität oder die Sicherung von Qualitätsstandards wäre, so intensiv tobt der internationale Wettkampf um Subventionen. Die Herausforderung wird sein, Hersteller so zu unterstützen, dass sie in dem gegebenen Klima weiterhin wirtschaftlich arbeiten können. Auch wir wollen hier als Forschungsinstitut natürlich unseren Beitrag leisten, benötigen dazu aber ebenfalls gut koordinierte, weitsichtige politische Aktivitäten.