Lastpfadgerechte und materialeffiziente Faserverstärkung von Bauteilen durch den Einsatz von UD-Tapes

Eine lastpfadgerechte und materialeffiziente Faserverstärkung von Bauteilen wird durch den Einsatz von UD-Tapes möglich. Werden diese im Herstellungsprozess dreidimensional abgelegt, bieten sich viele Gestaltungsfreiheiten insbesondere für Leichtbaukomponenten, die in geringer Stückzahl gefertigt werden. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS wurde von der Firma Automation Steeg & Hoffmeyer GmbH (ASH) die Anlage: F³-Compositor entwickelt und erfolgreich im Polymer-Pilotanlagenzentrum PAZ umgesetzt. Der innovative Ansatz des F³-Compositors vereint das Tape-Ablegen und Fügen der Halbzeuge mit hoher Reproduzierbarkeit und Materialeffizienz.

F³-Compositor UD-Tape
© Fraunhofer IMWS
Die F³-Compositor-Anlage ermöglicht eine hohe Reproduzierbarkeit beim Tape-Legen.

Leichtbau ist längst nicht nur für die Automobilproduktion oder Luftfahrt ein Megatrend. Auch in vielen anderen Anwendungsfeldern sind Bauteile gefragt, die geringes Gewicht mit hoher Belastbarkeit vereinen. Hier bieten Thermoplast-Systeme auf Basis von unidirektional endlosfaserverstärkten Tapelagen (UD-Tapes) sehr reizvolle Möglichkeiten. In diesen Tapes werden die Verstärkungsfasern während der Herstellung direkt so platziert, dass sie zum Lastverlauf im späteren Einsatzfall passen. So lassen sich Stellen des Bauteils, die besonders stabil sein müssen, gezielt stärken.

Für Leichtbaukomponenten, die in geringen Stückzahlen gefertigt werden, bietet sich dabei das 3D-Tape-Legen an. Hier lassen sich sehr individuelle Design-Lösungen mit geringem Materialverbrauch kombinieren. Ein Beispiel sind Orthesen aus der Medizintechnik: Diese können mit 3D-Tape-Legen spezifisch auf Patienten angepasst werden, gleichzeitig sehr leicht und dabei hoch belastbar sein. »Damit dies gelingt, muss allerdings das genaue Ablegen auf komplexen und 3D-geformten Geometrien möglich sein. Denn das Ablegen bestimmt die Position der Tapes und die Orientierung der darin enthaltenen Verstärkungsfasern in Bezug auf das Bauteil. Nur die korrekte Ablage stellt also sicher, dass tatsächlich die gewünschte Faserorientierung und damit die angestrebte Belastbarkeit im späteren Bauteil erreicht wird«, sagt Moritz Vyhnal, Verantwortlicher für das Thema »Thermoplast-Tapelegen« am Fraunhofer IMWS.

Gemeinsam mit dem Fraunhofer IMWS wurde von der Automation Steeg & Hoffmeyer GmbH (ASH) ein Gerät entwickelt, das eine hohe Reproduzierbarkeit bei der Produktion kleiner Stückzahlen sicherstellt und dabei die Vorteile des 3D-Tape-Legens bewahrt. Der F3-Compositor ermöglicht die automatisierte und multiaxiale Ablage sowie das gleichzeitige in-situ Fügen von thermoplastischen UD-Tape-Halbzeugen. Der eingesetzte Sechs-Achs-Roboter und Lege-Kopf mit integrierter Wärmequelle auf Basis einer ökologisch optimierten Wasserstoff-Sauerstoff-Heizquelle ermöglicht die lastpfadgerechte und materialeffiziente Faserverstärkung von Bauteilen durch das linienförmige oder flächige Ablegen von Tape-Einzelbahnen oder -Patches mit Legegeschwindigkeiten von bis zu 1 m/s.

»Die konstante Lege-Geschwindigkeit im komplexen 3D-Raum ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Ergebnisse. Dafür bieten wir nun eine Lösung, die zudem sehr materialeffizient ist und mit geringem Aufwand für verschiedene Tape-Breiten angepasst werden kann. Durch den materialeffizienten Ansatz ist auch der Einsatz von kostenintensiven Materialien wie Kohlefaser-Verstärkungen wirtschaftlich möglich«, sagt Vyhnal.

Aktuell ist mit dem F3-Compositor im Technikum des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ in Schkopau, einer Gemeinschaftsanlage des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP und des Fraunhofer IMWS, die Verarbeitung von Tape-Breiten von 3 mm bis 12 mm möglich. Eine speziell für diese Anwendung entwickelte Software der Firma SWMS Systemtechnik ermöglicht die benutzerfreundliche Programmierung sowie Prozess-Simulation der Anlage mittels CAD-Daten für Materialverbrauch, Kollisionsprüfung, Zykluszeit-Ermittlung und weitere Parameter.

Bis Ende 2023 wird das Technikum um einen 2D-Leger erweitert, der belastungsgerechte, ebene Tape-Laminate mit geringem Verschnitt-Abfall legen kann. Diese Technologien sowie weitere Material- und Bauteilentwicklungen stellt das Fraunhofer IMWS vom 17. bis 21. Oktober 2023 auf der Internationalen Fachmesse für Kunststoffverarbeitung Fakuma vor. Das Institut ist gemeinsam mit Polykum e.V. auf Stand B2-2108 vertreten.