Verbesserte Simulationsmethoden sollen nachhaltige Kunststoffproduktion beflügeln

Digitale Lösungen für die Prozess- und Materialsimulation werden als Werkzeug für die Kunststoffverarbeitung immer wichtiger. Virtuell lässt sich vorhersagen, wie sich bestimmte Werkstoffe bei bestimmten Herstellungsverfahren verhalten und welche Eigenschaften sich damit erzielen lassen. Für Compounds auf Basis thermoplastischer Rezyklate, 3D-gedruckte Kunststoffbauteile und UD-Tapes – durchweg Ansätze, die besonders nachhaltige Kunststoff-Lösungen möglich machen – liegen aber bisher keine befriedigenden Simulationslösungen vor. Das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) entwickelt im Projekt »MikroSimPlast« neue Materialmodelle für diese Anwendungsbereiche.

Mikrostruktur Polyamid
© Fraunhofer IMWS
Die Mikrostruktur von Kunststoffen (hier rezyklathaltiges Polyamid-6-Compound) verändert sich während der Verarbeitung. Das wird in Materialsimulationen noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Simulieren statt ausprobieren: Mit datenbasierten Modellen lässt sich die Entwicklung neuer Materialien und Produkte erheblich effizienter gestalten. Der materielle und energetische Aufwand für Materialentwicklungsstudien sinkt, zudem wird die Zeit bis zur Markteinführung verkürzt. Entsprechend etabliert sind virtuelle Abbildungen zur Optimierung von Kunststoffverarbeitungsprozessen in der Industrie. Insbesondere für anspruchsvollere Anwendungen wie in der Mobilität und für die Verwendung von neuen kreislauffähigen Materialien bestehen allerdings noch Lücken: Hier sind die Vorhersagen noch nicht präzise genug.

Das liegt auch daran, dass Veränderung im Material während der Verarbeitungsprozesse nicht ausreichend berücksichtigt ist. »Insbesondere bei polymeren Werkstoffen mit ihren heterogenen Phasenstrukturen, Kristallinitäten oder Fehlstellen hat die Mikrostruktur einen entscheidenden Einfluss auf die resultierenden Eigenschaften. Viele Modelle arbeiten aber bisher mit Vereinfachungen und Annahmen statt mit Daten zur realen Mikrostruktur«, sagt Dr.-Ing. Patrick Hirsch, der das zwei Jahre laufende Projekt am Fraunhofer IMWS leitet. Dabei arbeitet ein interdisziplinäres Team mit Kompetenzen aus Polymer- und Ingenieurwissenschaften, Maschinenbau sowie der Entwicklung und Implementierung von Algorithmen zusammen. »Wir wollen unsere herausragende Ausstattung zur Aufklärung der Mikrostruktur, unsere Vorkenntnisse im Bereich der Modellentwicklung und unsere Möglichkeiten zur Herstellung und Prüfung von Bauteilen nutzen, um neue Modelle verfügbar zu machen, die das reale Werkstoffverhalten wesentlich besser abbilden.«

Zunächst werden die Materialien bis ins kleinste Detail charakterisiert. Dabei kommen modernste spektroskopische und mikroskopische Methoden zum Einsatz (Elektronenmikroskopie, IR-Spektroskopie, Rasterkraftmikroskopie, Thermografie). Dieses vertiefte Materialverständnis wird genutzt, um optimierte Modelle für die virtuelle Material- und Prozessentwicklung zu entwickeln. Die Genauigkeit dieser Modelle wird schrittweise optimiert, indem die vorhergesagten Daten durch reale Experimente im industriellen Maßstab validiert werden: Im Projekt werden tatsächlich Bauteile hergestellt und hinsichtlich ihrer Eigenschaften charakterisiert, die Ergebnisse dieser Messungen fließen dann in die Weiterentwicklung der neuen Modelle ein. Diese werden zudem mit derzeit verfügbaren Simulationsprogrammen wie Digimat, ANSYS, MOLDEX, CFD-Simulationen oder LS-Dyna verglichen und so entwickelt, dass sie mit diesen kompatibel sind. So sollen industrielle Anwender die Resultate einfach für die anwendungsspezifische Materialentwicklung nutzen können.

Besonders im Fokus des Projekts stehen rezyklathaltige Compounds, Bauteile aus der additiven Fertigung und thermoplastische Leichtbaustrukturen auf Basis von UD-Tapes. »Bei allen drei hat die Berücksichtigung der lokalen Mikrostruktur eine besondere Bedeutung, weshalb bestehende Modelle unzureichend sind. Hier können wir Lösungen schaffen, was auch zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Kunststoffbauteilen in Mobilitätsanwendungen beitragen wird«, sagt Hirsch.

Bei Rezyklaten oder rezyklathaltigen Compounds (untersucht werden Polypropylen, Polyamide, Polyester) liegt der Fokus auf der Entwicklung und Erweiterung der morphologischen Vorhersagemodelle bei der Verwendung unterschiedlicher Füll- und Verstärkungsstoffe und variierenden Anteilen. Dabei zielen die im Projekt angestrebten Modelle auf konkrete Prozesse (Extrusion, Spritzguss) und Anwendungen (Automotive-Interieur) ab.

Bei der Herstellung von UD-Tapes liegt besonderes Augenmerk darauf, die Schmelzeverteilung innerhalb der Imprägnierdüse und das Imprägnierverhalten ausgewählter thermoplastischer Matrices (Polypropylen, Polyamide) in Kombination mit entsprechenden Verstärkungsfasern (Glas, Carbon) präzise vorherzusagen. Für die additive Verarbeitung sollen auf Finite-Elemente-Methoden (FEM)-gestützte Modelle eine Eigenschaftsvorhersage der Bauteile in Abhängigkeit zu den eingesetzten Materialien (im Projekt stehen Polyamide im Zentrum) ermöglichen und somit die gezielte Weiterentwicklung der Druckverfahren und der zum Einsatz kommenden Materialien ermöglichen.  

Die neuen Lösungen zielen insbesondere auf verbesserte Methoden zur Entwicklung innovativer Endprodukte der New Mobility ab. Von den präziseren Modellen profitieren kann etwa die Materialentwicklung von Wasserstofftanks, Interieur-Bauteilen im Auto oder großen, 3D-gedruckten Komponenten für Schienenfahrzeuge, bei denen besonders hohe Stabilität und Maßhaltigkeit gefragt sind.

(1. September 2025)