Schadenstolerante CFK-Schaum-Sandwichstrukturen für den Flugzeugbau

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Sandwich-Struktur bestehend aus geschlossenzelligem Polymerhartschaum und CFK-Deckschichten (links), lichtmikroskopische Aufnahme des Deckschicht-Kern-Übergangs mit harzgefüllten Schaumzellen (rechts)
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3-Punkt-Biege-Test mit einseitig gekerbtem Hartschaum-Prüfkörper (SENB).
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Ergebnisse der Bruchzähigkeiten für unterschiedliche PMI-Hartschaumtypen.

Die Sandwichbauweise mit einem Polymerhartschaumkern und kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffdecklagen bietet eine hohe Biegesteifigkeit bei geringem Gewicht. Allerdings sind die dünnen Decklagen anfällig für Schäden durch geringe Impaktenergien wie Hagelschlag oder herunterfallende Werkzeuge. Das Projekt SANDWICH² im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms LuFo V konzentriert sich auf die Untersuchung und Optimierung der Schadenstoleranz solcher Schaumsandwichstrukturen, insbesondere durch eine mikrostruktur- und mechanismenbasierte Bewertungsmethodik. Das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS ist Teil des Forschungskonsortiums und verantwortlich für diese Erforschung.

 

Bewertungsmethodik zum Nachweis der Schadenstoleranz von Schaum-Sandwichstrukturen
 

Im Rahmen der Schadenstoleranz-Auslegung für Schaumsandwichstrukturen ist eine zuverlässige Bewertungsmethodik erforderlich, um die Ausbreitung von lokalen Schäden unter Betriebslasten vorherzusagen. Dabei wird ein Interface-Riss zwischen den unterschiedlich steifen Materialien CFK-Laminat in der Deckschicht und Polymerhartschaum im Kern betrachtet (siehe Abbildung 1). Bruchmechanische Kennwerte werden experimentell ermittelt, um Rissbruchzähigkeiten und Rissausbreitungsparameter zu bestimmen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Charakterisierung des werkstoffmechanischen Verhaltens des Schaumkerns, da er die schwächste Komponente ist und fertigungsbedingte Eigenspannungen aufweist. Eine Finite-Elemente-Analyse ermöglicht die Vorhersage der Resttragfähigkeit und Restlebensdauer unter Berücksichtigung definierter Deckschichtablösungen. Die Validierung erfolgt anhand von Tests an bauteilnahen Strukturen.

 

Bruchmechanische Charakterisierung des Schaumkerns
 

Zur bruchmechanischen Charakterisierung des geschlossenzelligen PMI-Hartschaums ROHACELL® wurden zunächst entsprechende Versuche an Coupon-Proben durchgeführt. Unter anderem wurde der 3-Punkt-Biegversuch mit einem einseitig gekerbten Single Edge Notched Bend (SENB)-Prüfkörper genutzt, um die Bruchzähigkeit KIC   unter Mode-I-Beanspruchung für Schäume unterschiedlicher Zellgröße und Dichte zu ermitteln. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Bruchzähigkeit für Schäume mit annähernd gleicher Dichte von beispielsweise 75 kg/m³ mit zunehmender Zellgröße (von 71RIMA mit ca. 50 µm bis 71WF mit ca. 600 µm mittlerem Zelldurchmesser, siehe Abbildung 3) ansteigt. Demgegenüber zeigt der PMI-Hartschaum HERO mit zähigkeitsoptimierter Grundrezeptur trotz vergleichsweise kleiner Zellgrößen erhöhte Bruchzähigkeitskennwerte (siehe Abbildung 2). Für Schäume mit höherer Dichte steigen im Allgemeinen auch die ermittelten Bruchzähigkeitskennwerte deutlich an (von 71HERO mit 75 kg/m³ zu 110HERO mit 110 kg/m³).

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C-Scans aus Luftultraschall-Untersuchungen zeigen Impaktschäden (farbige Markierung) bei 35 J, 20 J und 10 J mit niedriger Geschwindigkeit < 5 m/s [Joh16].
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Single Cantilever Beam (SCB) Test zur Ermittlung der kritischen Energiefreisetzungsrate des Interface-Risses unter dominierender Mode I Belastung.
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Kraft-Weg-Verlauf eines quasi-statischen SCB-Tests mit mehreren Be- und Entlastungszyklen.

Untersuchung der Schadensausbreitung in der Sandwichstruktur

 

Bei stoßartigen Impaktbelastungen können lokalisierte Deckschichtablösungen auftreten, die die Integrität der Sandwichstruktur beeinträchtigen. Um solche Schäden zu identifizieren und zu bewerten, werden Luftultraschalluntersuchungen eingesetzt. Nach einer experimentellen Impaktprüfung in einer Fallgewichts-Prüfeinrichtung im Labor ermöglichen diese Untersuchungen eine zerstörungsfreie Detektion der Schäden und eine quantitative Bewertung ihrer räumlichen Ausdehnung. In Abbildung 3 sind typische Aufnahmen (C-Scans) von impaktgeschädigten Sandwichstrukturen dargestellt.

Für die bruchmechanische Beurteilung der Ausbreitung solcher Impaktschäden unter sowohl statischen als auch zyklischen Betriebslasten müssen die relevanten bruchmechanischen Kennwerte für den Interface-Riss zwischen Deckschicht und Kern ermittelt werden. Hierfür werden Proben verwendet, bei denen gezielt Deckschichtablösungen erzeugt wurden, beispielsweise durch Platzierung einer PTFE-Folie zwischen Deckschicht und Kern. Anschließend werden bruchmechanische Kennwerte wie Rissbruchzähigkeiten und Rissfortschrittsparameter unter quasi-statischer und zyklischer Belastung für verschiedene Rissöffnungsmoden bestimmt. Die Mode-I-Belastung unter globaler Zugbeanspruchung ist in der Regel der kritischste Lastfall.

Um die kritische Energiefreisetzungsrate unter Mode-I-Belastung zu ermitteln, wird der Single Cantilever Beam (SCB)-Versuchsaufbau verwendet. Dabei wird die einseitig abgelöste Deckschicht senkrecht vom Kern abgezogen. Der Versuchsverlauf wird durch Abbildung 4 exemplarisch dargestellt, einschließlich des Kraft-Weg-Verlaufs in einem quasi-statischen SCB-Versuch. Mehrere Belastungszyklen werden durchgeführt, wobei die Probe bei vordefinierten Maximalauslenkungen zwischenzeitlich vollständig entlastet wird. Dadurch können zusätzliche Informationen über risslängenabhängige Einflussgrößen gewonnen werden. Die Ermittlung der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc basiert auf der Compliance Calibration Methode (CC). Dazu werden die Risslängen für eine bestimmte Anzahl von Kraft-Weg-Messpunkten bestimmt. Die Verformung der SCB-Probe im Versuch wird kontinuierlich mit hochauflösenden optischen Kameras aufgezeichnet, um die Risslängen im Anschluss zu messen.

In der Regel erfolgt die Rissausbreitung innerhalb der ersten Schaumzellenlage entlang der Grenzfläche zwischen Deckschicht und Kern.

Für die Charakterisierung des Ermüdungsverhaltens werden klassische Betriebsfestigkeitsversuche entweder unter konstanter Spannungs- oder Verschiebungsamplitude durchgeführt. Allerdings würde die Energiefreisetzungsrate (EFR) im SCB-Test mit zunehmender Risslänge signifikant ansteigen, bis sie den kritischen statischen Wert der EFR überschreitet und zu einem instabilen Risswachstum führt. Dadurch könnten nur wenige Messwerte im Bereich des stabilen Risswachstums erfasst werden. Um dieses Problem zu umgehen, wird die Konstant-G-Methode als alternative Möglichkeit zur Bestimmung des Risswachstums unter zyklischen Lasten mit nahezu konstanten Beanspruchungen an der Rissspitze verwendet.

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Risslänge in Abhängigkeit der Lastwechselzahl.

Die Konstant-G-Methode basiert auf der analytischen Bestimmung des Zusammenhangs zwischen der Nachgiebigkeit der belasteten Probe und der Risslänge. Dadurch ist es möglich, die Energiefreisetzungsrate während des laufenden Versuchs aus den Kraft- und Wegsignalen der Prüfmaschine für jeden Lastzyklus zu berechnen und konstant zu halten, während die Risslänge kontinuierlich zunimmt (siehe Abbildung 5). Dies ermöglicht die Erfassung einer größeren Anzahl von Messwerten im Bereich des stabilen Risswachstums und somit eine zuverlässige Bestimmung des Ermüdungsrisswachstums mithilfe des Paris-Gesetzes [Par99].

Durch die Kombination von Ultraschalluntersuchungen zur Detektion und Bewertung von Impaktschäden sowie bruchmechanischen Tests zur Charakterisierung des Rissverhaltens unter verschiedenen Belastungen und Rissöffnungsmoden wird eine umfassende Bewertung der Schadenstoleranz und Ermüdungseigenschaften von Sandwichstrukturen ermöglicht. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Entwicklung und Optimierung von zuverlässigen und belastbaren Leichtbaukonstruktionen.