Kein Biegen und Brechen: Forscher entwickeln leistungsfähigere Composite aus Bio-Materialien

In Hinblick auf die Rohstoffknappheit und auf ökologische Aspekte gewinnen biobasierte Composite aus nachwachsenden Naturstoffen und Polymeren, beispielsweise Holz-Polymer-Composite, an Bedeutung. Jedoch sind solche Bauteile aus Kunststoffverbünden gegenüber Bauteilen aus metallischen oder anorganischen Konstruktionswerkstoffen oft anfälliger. Bei dauerhafter Beanspruchung findet eine Verformung statt – man spricht davon, dass der Werkstoff kriecht. Wird er anschließend wieder entlastet, bleibt eine gewisse Deformation im Bauteil gespeichert. Bei kontinuierlicher Verformung durch Kriechen können erhebliche Schäden in Form von Rissen und Brüchen entstehen, die letztendlich zum Versagen des Bauteils führen. Ein Projekt am Fraunhofer IMWS sucht nach Lösungen, um biobasierte Composite widerstandsfähiger zu machen.

Rissverlauf einer Round-Compact-Tension-Probe
© Fraunhofer IMWS
Am Fraunhofer IMWS wurde ein Round-Compact-Tension-Test (RCTT) entwickelt, hier der Rissverlauf einer entsprechenden Probe.

Forscher des Fraunhofer IMWS arbeiten bis Ende Dezember 2017 gemeinsam mit der Firma NOVO-TECH GmbH & Co. KG aus Aschersleben in Sachsen-Anhalt an einer Formel, die das Einsatzverhalten von Holz-Polymer-Werkstoffen vorhersagt, um lasttragende Strukturen zu optimieren.

Die NOVO-TECH GmbH & Co. KG produziert Extrusionsprofile aus Holz-Polymer-Compositen. Sie ist mit ihrer individuellen Werkstoffkomposition GCC (German Compact Composite) Marktführer und hat sich auf WPC-Produkte (Wood Polymer Composite) spezialisiert. Gefertigt werden Strukturbauteile aus Verbund-Kunststoffen mit Naturfaser-Polymer-Werkstoffen, die im Interieur- sowie Exterieur-Bereich in Form von Terrassen- und Sichtschutzsystemen, Ladeböden sowie in Schalungen zur Herstellung von Beton-Elementen eingesetzt werden.

Im Mittelpunkt des Vorhabens steht die Herstellung hochwertiger Materialien aus Biomasse im Rahmen einer BioÖkonomie. »Biobasierte Composite sind im Hinblick auf nachhaltige Ressourcennutzung eine wichtige Zukunftstechnologie. Somit steigt der Bedarf an wissenschaftlich fundierten Lösungen zum Verständnis der Mechanik und der im Detail ablaufenden Prozesse während ihres Einsatzes«, sagt Thomas Hanke, Projektleiter am Fraunhofer IMWS.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll ein Bauteilsicherheitskonzept entwickelt werden, welches das Langzeit-Kriechverhalten vorhersagt. Dazu müssen die relevanten Versagensmechanismen für tragende Bauteile aus GCC (German Compact Composite) in Bezug auf das Langzeit- und Deformationsverhalten bis zum Bruch ermittelt werden.

Um hier Ergebnisse zu erhalten, untersuchen die Forscher zunächst Materialkennwerte und einsatzbedingte Streuungen an Musterbauteilen aus Kurz- und Langzeitversuchen; diese Daten fließen in Modelle ein, aus denen sich dann die virtuelle Lebensdauer der Werkstoffe ableiten lässt.

Eine wissenschaftlich abgesicherte Simulationen des Materialverhaltens erlaubt Prognosen für Zeiträume zwischen fünf und zehn Jahren, um Bauteile zukünftig sicherer und länger haltbar herzustellen. Um die Materialeigenschaften tragender Bauteile feststellen zu können, wurde am Fraunhofer IMWS ein Round-Compact-Tension-Test (RCTT) entwickelt. Mithilfe der RCT-Probe kann die Bruchzähigkeit eines Materials ermittelt werden. Dabei wird eine Probe in einer mechanischen oder servohydraulischen Prüfmaschine bis zum Versagen verformt. Aus dem Maximum der dabei kontinuierlich gemessenen Kraft und der Risslänge wird ein sogenannter kritischer Spannungsintensitätsfaktor bestimmt. Werden zusätzlich die Risswachstumsparameter aus den Ergebnissen abgeleitet, kann ein Lebensdauermodell entwickelt werden.

Sind die Mechanismen, die zum Versagen des Bauteils führen, hinreichend untersucht, wird anhand der definierten Grenzzustände beziehungsweise Schädigungsmodelle eine optimale Auslegung von Bauteilen entsprechend der Leistung des zugrundeliegenden Werkstoffs möglich.

»Indem wir neue Materialkonzepte erproben, sichern wir nicht nur neue Kenntnisse auf dem Gebiet der Kunststofftechnik und BioÖkonomie. Unsere Methoden und Modelle könnten auch für andere innovative, hochgefüllte biobasierte Werkstoffe nutzbar sein. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Ziele der regionalen Innovationsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt«, bewertet Thomas Hanke das Projekt.