Die Platte wird zum Kraftwerk

Plattenbau – dieses Bauverfahren mit Betonfertigteilen prägt Stadtteile wie Halle-Neustadt und Magdeburg-Olvenstedt, aber auch München-Neuperlach oder Hamburg-Steilshoop. Allein in der DDR wurden rund 3 Millionen Wohnungen in industrieller Bauweise errichtet. Viele davon sind mittlerweile abgerissen worden, zwischen 2000 und 2020 sollen in den neuen Bundesländern weitere 350.000 Plattenbau-Wohnungen zurückgebaut werden. Doch viele Gebäude bleiben erhalten – und sie können einen großen Beitrag zur Energieeffizienz leisten. Um das zu ermöglichen, wollen das Fraunhofer IMWS und die HKS Querfurt GmbH ein Bauelement mit vielfältigen Fähigkeiten entwickeln: Es dämmt, erzeugt Strom mittels Photovoltaik und ist besonders für die Sanierung von Bestandgebäuden geeignet.

Platte Kraftwerk Nachhaltigkeit Potential
© MEV-Verlag
Die Modernisierung von Plattenbauten kann einen großen Beitrag zur Energieeffizienz leisten.

»Viele Plattenbauten sind für ihre Bewohner ein liebgewonnenes Zuhause und sollen aus Sicht der Stadtplanung noch 40 Jahre lang genutzt werden. Wir wollen ihnen bei der Sanierung ein Update in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit geben«, sagt Norman Klüber vom Fraunhofer IMWS, der das bis Ende 2017 laufende Gemeinschaftsprojekt leitet.

Die Besonderheit des Verbundsystems, das auf einem von der HKS Querfurt GmbH genutzten Patent aufbauen soll: Die energiesammelnde Schicht mit den Photovoltaikmodulen ist direkt mit einem Schaumkern verbunden, der wiederum direkt an die Gebäudewand angebracht wird. Bisher ist es notwendig, zwischen den Photovoltaik-Elementen und der Wand einen Abstand zu lassen, damit sie ausreichend belüftet werden und die entstehende Wärme abtransportiert werden kann. Sie werden deshalb mit speziellen Halterungen am Gebäude befestigt.

Ziel der Projektpartner ist es, diesen zusätzlichen Schritt überflüssig zu machen: Die Halterungen könnten wegfallen, was Kosten, Zeit und Material sparen würde. Zugleich sollen die gemeinsam entwickelten Bauelemente als Wärme- und Schalldämmung dienen, je nach Dicke des Dämmstoffes könnten dabei Energieeinsparungen bis zum Passivhausniveau möglich sein. Die neuen Bauelemente sollen deutlich leichter sein als bisherige Lösungen und sich günstig in verschiedenen Größen herstellen lassen, sodass ein flexibler Einsatz für Architekten möglich wird, bei der Sanierung ebenso wie für Neubauten. Auch die mögliche Integration von Solarthermie mittels Kapillarrohrsystemen und eine thermisch aktive Dämmung sind bereits mitgedacht.

Damit all dies gelingen kann, setzen das Fraunhofer IMWS und die HKS Querfurt GmbH auf ein Sandwich-Element, also ein Bauteil aus mehreren Schichten. Es muss den Anforderungen der Statik sowie der Wärme-  und Schalldämmung genügen und witterungsgerecht ausgelegt sein. Die besondere Herausforderung liegt darin, einerseits für eine gute Wärmedämmung des Gebäudes im Winter zu sorgen, andererseits eine Überhitzung des Photovoltaik-Moduls im Sommer zu vermeiden, die zu Leistungseinbußen und damit weniger Stromertrag führen kann.

Der thermisch aktive Schaum erhöht die Wärmespeicherkapazität, die neuartige Konstruktion ermöglicht zudem die Nutzung von Dünnschicht-Photovoltaikmodulen, die weniger anfällig für Leistungsverluste bei Erwärmung oder Verschattung und außerdem preisgünstiger sind. Für den Schaum im Sandwichkern werden übrigens nachwachsende Rohstoffe genutzt: Er besteht aus einem Harzsystem, das im Spitzencluster BioÖkonomie entwickelt wurde und auf Lignin basiert, das sich beispielsweise aus Holzresten gewinnen lässt. Die Schaumsysteme sollen für das neue Projekt optimiert werden, auch eine geeignete Herstellungs-Technologie für das Niederdruck-Direkt-Verschäumungsverfahren gilt es zu entwickeln.

Projektleiter Norman Klüber ist zuversichtlich, dass die Partner mit dieser Idee einen Beitrag zur Weiterentwicklung der gebäudeintegrierten Photovoltaik leisten können: »Wenn wir die geeigneten Lösungen finden, haben wir ein Produkt, das viele Aufgaben zugleich übernehmen kann: Wetterschutz, Wärmedämmung, Stromerzeugung. Das wäre nicht nur sehr umweltfreundlich, sondern würde für Bauherren auch eine erhebliche Kostenersparnis bedeuten.«