Robuste und zuverlässige Elektronik für autonomes Fahren

Unsere Lebenswelt wird zunehmend digital. Dies gilt auch für Autos, in denen die moderne Elektronik eine zentrale Rolle für die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge, die Sicherheit der Insassen oder die effiziente Steuerung des Antriebssystems spielt und zunehmend wichtig wird für den Weg in eine zukünftige autonome Mobilität. Das Fraunhofer CAM trägt mit seinen Leistungen in der Materialdiagnostik und Mikrostrukturanalytik sowie durch die Entwicklung neuer leistungsfähiger Prüfmethoden in führender Rolle dazu bei, die Automobilelektronik sicher und langlebig zu machen.

Autonomes Fahren Chip Diagnostik Test
© MEV-Verlag/Fraunhofer IMWS
Elektronik ist für die Automobilindustrie zum entscheidenden Innovationstreiber geworden.

Sensoren steuern das Auslösen von Airbags oder die Performance des Motors. Chips regeln die Funktionen von ABS, ESP und anderen Assistenzsystemen. Hybrid- und Elektroautos kommen für ihren Antrieb nicht ohne Leistungselektronik aus. Die Funktionalität und Effizienz von Autos, insbesondere aber auch die Sicherheit der Insassen hängen damit schon lange von der Elektronik ab - und damit auch von der Zuverlässigkeit aller Materialien, Komponenten und Systeme vom Halbleiter bis zur Systembaugruppe. Eine zuverlässige Funktion muss dabei über die gesamte Lebensdauer eines Autos gewährleistet sein, selbst unter extremen Bedingungen wie enormer Hitze im Motorraum, Nebel, Schmutz, Frost, dichtem Verkehr oder häufigen Temperaturwechseln. Industrie und Forschung benötigen daher leistungsfähige diagnostische Verfahren, mit denen potenzielle Risiken und Fehlerursachen sowie die Materialeigenschaften und ihre belastungsbedingten Veränderungen in den immer komplexer und kleiner werdenden Elektronikkomponenten erkannt und analysiert werden können.

Das Fraunhofer-Center für Angewandte Mikrostrukturdiagnostik CAM, eines der Geschäftsfelder des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale), hat sich in diesem Bereich als wichtiger Partner für Automobilindustrie, Elektronikzulieferer und Halbleiterhersteller etabliert. Mit modernsten Diagnosegeräten wird hier die Mikrostruktur von Materialien und Bauteilen in den Blick genommen, um die Qualität der Herstellungsprozesse zu kontrollieren und das Einsatzverhalten bis ins kleinste Detail zu verstehen. Denn selbst winzige Fehler auf der atomaren Ebene können dazu führen, dass Komponenten nicht ordnungsgemäß funktionieren oder sogar ausfallen.

Die Kunden aus der Industrie schätzen das unabhängige Fachwissen der Forscher aus Halle und die spezialisierte Hightech-Ausstattung des Instituts. Eine große Vielfalt unterschiedlichster Methoden, von Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen oder Wärmebildtechniken, sowie leistungsfähigster Präparationsverfahren, zum Beispiel mittels Ionenstrahlen und Lasertechniken, bis hin zu höchstauflösenden Abbildungs- und Nachweistechniken, zum Beispiel mittels Elektronenmikroskopie und Massenspektrometrie wird zielgerichtet für die jeweilige Problemlösung verknüpft und eingesetzt. Das Fraunhofer CAM zählt in seinem Fachbereich zu den führenden Anbietern in Deutschland. In etwa der Hälfte der Neuwagen, die in Deutschland verkauft werden, steckt ein wenig Know-how aus Halle, schätzen die Fraunhofer-Forscher. Beleg für den Status ist auch der jährliche CAM-Workshop als herausragender Termin für die Branche, der jährlich mehr als 150 internationale Teilnehmer inklusive Geräteaussteller, die übergroße Mehrzahl  aus der Industrie, nach Halle lockt.

Mit Hilfe der Mikrostrukturdiagnostik unterstützt das Fraunhofer CAM seine Kunden nicht nur bei Ausfällen im Einsatz, sondern bereits bei in der Entwicklungsphase, etwa bei der Einführung  neuer Werkstoffe oder der Verbesserung von Produktionsprozessen. Damit werden neue Technologien und optimierte Fertigungsverfahren der Kunden schneller zur Marktreife gebracht.  Außer im Bereich Automobilelektronik ist das Fraunhofer CAM auch in weiteren Marktfeldern aktiv. Beispielsweise gewinnen Consumer- und Industrieelektronik immer mehr an Bedeutung für eine intelligente Steuerung unserer häuslichen Umgebung oder für die Vernetzung von Fertigungsprozessen, wodurch beispielsweise weniger Energie und Material verbraucht und die Ressourceneffizienz in der Gesellschaft erhöht wird.

Da leistungsfähige mikroelektronische Bauteile gleichzeitig auch immer kleiner, komplexer und seitens der Werkstoffe vielfältiger werden, steigen zugleich die Anforderungen an die Materialdiagnostik und mikrostrukturelle Analytik. Deshalb entwickeln die Forscher in Halle neue innovative Methoden und Geräte, um auch bei neuen Materialien und Technologien die nötige Qualitätskontrolle bis ins kleinste Detail möglich zu machen. Dazu gehören beispielsweise die 3D-Lock-In-Thermografie, die akustische Mikroskopie bis in den GHz-Hochfrequenzbereich, noch genauere und schnellere Präparationstechniken mittels Laser und Ionenstrahl, verschiedene elektronenmikroskopische Spezialtechniken oder neue mikromechanische Tests. Mit einer Erweiterung des CAM-Standorts in der Heideallee werden derzeit für diese Forschungsarbeiten noch bessere Bedingungen geschaffen: Für 9 Millionen Euro wird das Fraunhofer CAM ausgebaut. Neue Technologien fit für den Markt machen – bei diesem Ziel unterstützt das Fraunhofer CAM seine Auftraggeber.

In der Zukunft wird die Bedeutung der Mikroelektronik besonders auch für die Automobilbranche weiter wachsen. Trends wie die Elektromobilität, die entsprechende Halbleiter zur Steuerung der elektrischen Leistung benötigt, oder das vernetzte Auto, das von selbst mit dem Parkhaus, anderen Fahrzeugen oder der Cloud  kommuniziert, belegen das. Wichtigster Treiber einer längerfristigen Entwicklung ist allerdings die Vision vom autonomen Fahren: Ein Auto, das eigenständig lenkt, bremst und navigiert, funktioniert nur mit leistungsstarken elektronischen Komponenten.

Das Entwicklungstempo ist dabei hoch – die Nachfrage nach immer höheren Leistungen der Bauteile wird begleitet von immer kürzeren Innovationszyklen in der Automobilbranche. Wurden früher neue Technologien zuerst im Consumer-Electronics-Bereich eingesetzt, etwa in Mobiltelefonen oder Spielkonsolen, wo ein Produkt eine Lebensdauer von zwei bis drei Jahren hatte und nach und nach weiter optimiert wurde, kommen sie nun im Automotive-Bereich zum Einsatz, wo eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren gefragt ist. Heute geht die neuste Technik direkt ins Auto: Die Kunden erwarten, dass das Entertainment-System im Cockpit dieselbe Performance liefert wie der Computer zuhause – mit entsprechend kurzen Innovationszyklen. Wollen wir der Technologie wirklich zutrauen, richtige Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung für die Sicherheit der Insassen zu übernehmen, ist hundertprozentige Zuverlässigkeit der Bauteile unerlässlich. Nur, wenn alle Komponenten auch zuverlässig zusammenspielen, kann autonomes Fahren zur Wirklichkeit werden. Die Methoden der Mikrostrukturdiagnostik haben dafür eine herausragende Bedeutung.

Das Fraunhofer CAM ist daher in führender Rolle weiter aktiv, um auch die für die neuen Assistenzsysteme benötigten leistungsfähigen und hochauflösenden Sensoren, die leistungsstarken Prozessoren für die 3D-Berechnungen der Umgebung oder die schnellen Speicher zuverlässiger und effizienter zu machen. Gerade im Hinblick auf das autonome Fahren bietet das enorme Potenziale: 95 Prozent aller Unfälle mit tödlichen und sehr schweren Verletzungen sind durch menschliche Fehler bedingt. Wenn sichere Elektroniksysteme das Auto steuern, bietet autonomes Fahren eine große Chance, Leben zu retten. Mit seinen Entwicklungen von innovativen Mikrostrukturdiagnostikverfahren unterstützt  das Fraunhofer CAM eine robuste und zuverlässige Elektronik für autonomes Fahren.

Prof. Matthias Petzold erklärt den Beitrag des Fraunhofer IMWS zum Autonomen Fahren