Inline-Verarbeitung von Zellstofffasern mit integrierter Oberflächenbehandlung

Kunststoffe mit Verstärkungsfasern aus Cellulose können eine ökologische Alternative zu Materialien mit Glasfaserverstärkung sein. Für hochwertige Anwendungen müssen die Fasern an die Kunststoff-Matrix angebunden werden. Die Kurt Seume Spezialmaschinenbau GmbH und das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS haben zu diesem Zweck ein Filterstopfwerk mit integrierter Faserbeleimung zur Optimierung der Haftung zwischen den Zellstofffasern und dem Kunststoff entwickelt.

© Fraunhofer IMWS
In die bestehende Anlage zur Inline-Verarbeitung von Zellstofffasern für die Compoundierung ist eine Beleimung der Fasern integriert.
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Das Projekt wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Um anwendungsspezifische Eigenschaften zu erreichen, werden thermoplastische Kunststoffe wie beispielsweise Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) mit Fasern verstärkt. Solche Faser-Compounds kommen in Automobilteilen wie Instrumententafeln oder Seitenverkleidungen, in Gehäusen von Elektrogeräten, in Gartenmöbeln, Transportbehältern und anderen Kunststoff-Bauteile und Anwendungsgebieten zum Einsatz.

Faser-Compounds werden meist mit Doppelschneckenextrudern hergestellt. Durch den Einsatz von Faser-Compounds entstehen Bauteile, die hoch belastbar und zugleich leicht sind. Den mit Abstand größten Anteil haben mit Glasfasern verstärkte Faser-Compounds. Im Bestreben, die Ökobilanz zu verbessern, sind zunehmend Naturfasern als Verstärkungsmaterialien gefragt. Gründe hierfür sind neben dem geringeren spezifischen Compound-Gewicht und dem niedrigeren Werkzeugverschleiß bei der Verarbeitung der Compounds die Vorteile der Naturfasern. Der CO2-Fußabdruck von Naturfasern ist viel geringer als der von Glas- und Mineralfasern. So entstehen bei der Produktion von einer Tonne Glasfasern etwa 1,7-2,5 Tonnen CO2 pro Tonne Faser. Bei Zellstoff, der mit dem Sulfatverfahren hergestellt wird, nur etwa 0,9 Tonnen. Hinzu kommt, dass bei der Zellstoff-Herstellung die nicht prozessbedingten Emissionen (die prozessbedingten CO2-Emissionen sind vernachlässigbar) durch die Energieerzeugung überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen stammen und daher den CO2-Kreislauf nicht belasten.

Damit das Faser-Compound gute Eigenschaften aufweist, müssen die Fasern mit der Matrix verbunden sein. Hierfür hat sich der Auftrag einer faser- und kunststoffspezifischen Schlichte auf die Oberfläche der Fasern bewährt. Während bei Glasfasern der Schlichteauftrag unmittelbar nach dem Austritt der Faserfilamente aus der Schmelzewanne mit einem Schlichtebad und somit ohne zusätzlichen Aufwand erfolgen kann, erfordert ein Schlichteauftrag bei den Zellstofffasern zusätzliche Prozessschritte, die den Faserstoff teuer machen und daher kommerziell nicht durchgeführt werden.

Im Gemeinschaftsprojekt haben die Kurt Seume Spezialmaschinenbau GmbH und das Fraunhofer IMWS jetzt eine Lösung entwickelt, mit der der Schlichteauftrag effizient erfolgen kann. Für den Schlichteauftrag nutzt das Fraunhofer PAZ (eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer IMWS und Fraunhofer IAP) eine in einem vorangegangenen Vorhaben entwickelte Anlage zur Inline-Verarbeitung von Zellstofffasern für die Compoundierung. »Die inline-Verarbeitungstechnologie macht überhaupt erst das kontinuierliche Eintragen der Zellstofffasern in die Polymerschmelze und somit die effiziente Herstellung von Zellstoff-Polypropylen-Compounds möglich. Wir haben jedoch festgestellt, dass die Eigenschaften der Compounds für anspruchsvolle technische Anwendungen nicht ausreichend waren, weil bisher die Faserschlichte fehlt«, sagt Dr. Michael Busch, der das Projekt am Fraunhofer IMWS leitete.

Kernstück der vorhandenen Inline-Technologie ist ein Filterstopfwerk, das die von einer Hammermühle mit einem Luftförderstrom zum Extruder transportierten Zellstofffasern aus dem Luftstrom filtert und sie in den Compoundier-Extruder transportiert, wo sie in die Kunststoffschmelze eingearbeitet werden. Für den Schlichteauftrag wurde das Filterstopfwerk um eine Beleimungsvorrichtung erweitert, die den zusätzlichen Auftrag der Faserschlichte auf die Fasern inline im laufenden Prozess ermöglicht.

»Die Beleimung der Fasern im Filterstopfwerk ermöglicht einen gleichmäßigen Schlichteauftrag auf die vereinzelten Zellstofffasern«, beschreibt Busch den Ansatz. Während die Entwicklung dieser Komponente durch die Seume GmbH erfolgte, führte das Fraunhofer IMWS materialwissenschaftliche Untersuchungen zum Einfluss der Faserbeleimung auf die Eigenschaften von Zellstoff-Polypropylen (PP)-Compounds durch. »Unser Ziel war die Herstellung hochwertiger Zellstofffaser-Compounds mit beleimten Zellstofffasern in einem hocheffizienten Prozess. Mit der erfolgreichen Bearbeitung des Projektes haben wir neue Anwendungsfelder für den Einsatz von Zellstofffasern als nachwachsendem Rohstoff eröffnet und ermöglichen dadurch die Entwicklung neuer, naturfaserverstärkter Kunststoffprodukte, die preislich und in ihrer Performance an kurzglasfaserverstärkte Kunststoffen heranreichen, diese in der Ökobilanz allerdings deutlich übertreffen«, so Busch.