Sandwich-Strukturbauteile aus thermoplastischen Kunststoffen bieten enorme Potenziale für den Leichtbau und gleichzeitig aufgrund Ihrer Schmelzbarkeit eine verbesserte Großserientauglichkeit und Recyclingfähigkeit gegenüber Duroplast-Systemen. Im aktuellen Projekt »rSandwich« arbeitet das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) daran, Sandwichbauteile auf Basis Recyclingmaterials unter industrienahen Bedingungen herzustellen. Dabei unterstützen sollen materialgerechte Analysemethoden und leistungsfähige Simulationsmodelle, die bereits präzise Aussagen über Materialeigenschaften und insbesondere den Einfluss des Recyclings erlauben. So können die Einsatzfelder für Recyclingkunststoffe erweitert und eine zuverlässige Auslegung von daraus hergestellten Bauteilen vorgenommen werden.
Leichtbau ist ein entscheidender Schlüssel, um Ressourcen zu schonen, Energie einzusparen und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Die Sandwichbauweise bietet hier ein besonders hohes Potenzial: Ein sehr leichter Stützkern wird mit dünnen, steifen Deckschichten kombiniert, wodurch eine außergewöhnlich hohe Biegesteifigkeit bei sehr geringem Gewicht erreicht wird. Im Vergleich zu konventionellen, monolithischen Strukturen lassen sich damit Gewichtseinsparungen von bis zu 80 Prozent realisieren.
Trotz dieser Vorteile ist der Einsatz von Sandwichstrukturen bislang vor allem auf kleine Stückzahlen für z.B. Schienen- und Luftfahrtzeuge beschränkt. Die Ursachen dafür liegen vor allem in der Verwendung der gängigen Duroplast-Technologie, welche zeit- und kostenintensiv ist und daher mit einer geringen Großserientauglichkeit verbunden ist. Darüber hinaus ist auch die Integration von Funktionselementen aufwendig sowie aufgrund der fehlenden Schmelz- und Lösbarkeit das Recycling nicht ohne weiteres möglich. Dies begrenzt bisher vor allem den Einsatz in kostenkritischen Branchen und Bereichen mit hohen Stückzahlen wie der Automobilindustrie, obwohl ein großes Interesse an nachhaltigen Leichtbaukonzepten besteht.
Hier setzt das Forschungsprojekt »RecyclingSandwich« (»rSandwich«) des Fraunhofer IMWS an. Ziel des Projekts ist es, thermoplastische Sandwichbauteile mit Recyclinganteil unter industrietauglichen Bedingungen herzustellen und deren Eigenschaften für die Bauteilanwendung zuverlässig vorherzusagen. Grundlage dafür ist die Kombination aus materialwissenschaftlicher Analyse, materialgerechter Prozess- und Struktur- Simulation sowie prozesstechnische und experimentelle Validierung anhand von Demonstratoren. So können die besonderen Eigenschaften von recyklatbasierten Kunststoffen gezielt erfasst, in Simulationsmodellen berücksichtigt und gleichzeitig eine zuverlässige Auslegung von Bauteilen vorgenommen werden.
Ein zentraler Arbeitsschwerpunkt liegt auf der detaillierten Charakterisierung von Recyclingkunststoffen und ihren Mischungen mit Neuware. Dabei werden verarbeitungsrelevante, mechanische und thermische Eigenschaften ebenso untersucht wie das Kristallisationsverhalten und die resultierende Mikrostruktur – um zu verstehen, wie sich der Recyclingprozess und eine mögliche Mehrfachverarbeitung auf diese relevanten Eigenschaften auswirken. »Nur wenn wir die Materialeigenschaften von Rezyklaten so genau kennen wie die von Neuware, können wir ihr volles Potenzial im Leichtbau ausschöpfen«, betont Dr. Matthias Zscheyge, Projektleiter am Fraunhofer IMWS. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in numerische Simulationsmodelle ein, mit denen sich sowohl die Herstellungsprozesse als auch die Struktureigenschaften der Bauteile präzise vorhersagen lassen.
Parallel dazu entwickelt das Projektteam zusammen mit Partnern aus der Industrie stabile und reproduzierbare Prozesse für die industrienahe Fertigung von Sandwichstrukturen mit hohem Rezyklatanteil. Durch den Abgleich der Simulationsergebnisse mit praktischen Fertigungsversuchen wird sichergestellt, dass die Modelle zuverlässig arbeiten und auch industriell angewendet werden können. »Im Projekt schlagen wir die Brücke zwischen Nachhaltigkeit und Struktur-Leichtbau. Es ist ein wichtiger Schritt, um Rezyklate in anspruchsvollen industriellen Anwendungen zu etablieren und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren«, ergänzt Zscheyge.
Mit »rSandwich« wird erstmals ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, um Recyclingkunststoffe für tragende Leichtbaustrukturen nutzbar zu machen – ein Gebiet, das bisher wissenschaftlich und technologisch noch nicht ausreichend erforscht ist. Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Schließung von Kunststoffkreisläufen, zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der Mobilität und zur Stärkung des Industriestandorts Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig schafft es neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Forschungseinrichtungen, der Kunststoffindustrie und der Zuliefererbranche und eröffnet so neue Perspektiven für eine ressourcenschonende und nachhaltige Zukunft im Leichtbau.
(17. September 2025)