Fraunhofer IMWS bearbeitet Kunststoff-Oberflächen für medizinische Implantate

Polyetheretherketon (PEEK) ist ein Kunststoff, der für Implantate in der Wirbelsäulen-, Gesichts- und Trauma-Chirurgie eingesetzt wird. Der Werkstoff wird bereits seit etwa 20 Jahren für den medizinischen Einsatz verwendet, dennoch ist er nicht weit verbreitet. Grund dafür sind die Oberflächeneigenschaften von PEEK, die die Integration des Implantats in das umgebende Gewebe verhindern. In einem gemeinsamen Projekt will ein Team des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und der SpinPlant GmbH PEEK-Implantate optimieren. Dabei kommen physikalische, strukturelle und biologische Technologien zum Einsatz, um eine Oberflächenveredlung mithilfe von Kollagen-Nanofasern zu realisieren. Diese soll die Integration der Implantate in das umliegende Gewebe maßgeblich verbessern.

Gelatine-Nanofasern PEEK Implantat Kunststoff
© Fraunhofer IMWS
Medizinisches PEEK-Material beschichtet mit elektro-gesponnenen und parallel angeordneten Gelatine-Nanofasern im experimentellen Elektrospinning-Aufbau.

Die Nachfrage nach medizinischen Implantaten steigt durch die alternde Bevölkerung, einen zunehmend bequemen Lebensstil und verbesserte technologische und medizinische Möglichkeiten etwa bei der Behandlung von Trauma-Patienten. Der Kunststoff PEEK wird momentan aufgrund seiner sehr guten mechanischen Eigenschaften in der Orthopädie und der Regenerativen Medizin des Stütz- und Bewegungsapparates für Implantate eingesetzt. Das Material hält hohen Kräften stand, ist nicht spröde und von seiner lasttragenden Kraft knochenidentisch. Allerdings ist PEEK aufgrund seiner Oberflächeneigenschaften nur begrenzt für biologische Anwendungen geeignet: Das Material ist weitestgehend inert, wodurch keinerlei Wechselwirkungen mit dem umliegenden Gewebe auftreten und somit ein Einwachsen nahezu unmöglich ist. PEEK-Implantate müssen daher oft zusätzlich invasiv fixiert werden, beispielsweise durch Schrauben an den umgebenden Knochen, was wiederum Schäden an der gesunden Knochenstruktur verursacht.

Ein gemeinsames, im Rahmen des Leistungszentrums »Chemie- und Biosystemtechnik« laufendes Forschungsprojekt des Fraunhofer IMWS und der SpinPlant GmbH beschäftigt sich mit der Modifikation der PEEK-Oberfläche. »Ein in vieler Hinsicht ideales Implantat wäre ein lasttragendes, festes Strukturpolymer mit den entsprechenden mechanischen Eigenschaften und einer mikro- oder nanoporösen Oberfläche, die eine bestmögliche Osseointegration, also einen funktionellen Zusammenschluss zwischen dem Knochengewebe und der Implantat-Oberfläche. Wir wollen die Oberfläche des Kunststoffs PEEK so funktionalisieren, dass durch die aufgebrachten Nanofasern ein attraktives Substrat für das Zellwachstum geschaffen werden kann«, sagt Dr. Andrea Friedmann, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IMWS.

Im Forschungsprojekt sollen die Oberflächeneigenschaften von PEEK so verändert werden, dass ein Vlies aus Kollagenfasern an der Kunststoff-Oberfläche haften bleibt. Hierzu sollen komplexe Verfahren der Oberflächenmodifikation wie Sauerstoffplasmabehandlung oder Laserstrukturierung der PEEK-Oberfläche zur Verbesserung der Haftungseigenschaften eingesetzt werden. Die strukturierte Oberfläche soll dann mit einem Vlies aus Kollagenfasern beschichtet werden, das mittels Elektrospinnen gewonnen wird. Durch das Kollagen-Vlies soll die PEEK-Oberfläche biologisch kompatibler gemacht werden, denn die Kollagenfasern bieten eine Gerüststruktur für die Zellbesiedelung, das Zellwachstum und somit für die Ausbildung und den Erhalt der natürlichen extrazellulären Matrix. Somit können ein Einwachsen beziehungsweise eine Integration des Implantatmaterials in das umliegende Bindegewebe ermöglicht werden.

Derzeit werden biologische Vliesmaterialien als fragile dünne Matten, die einen stabilen Folien- oder Papierträger benötigen, hergestellt. Das Aufsetzen und Fixieren dieser Matten auf ein Polymerimplantat ist sehr schwierig. Daher ist es zweckmäßig, die Vliese direkt auf dem Implantatmaterial abzuscheiden. Des Weiteren ist vorgesehen, Implantate aus einem PEEK-Hydroxylapatit-Komposit, das unter anderem für die Wirbelsäulenchirurgie entwickelt wurde, mit einer Kollagen-Vliesbeschichtung zu versehen. Dadurch ließe sich eine stabile Verbindung realisieren, die für eine Anwendung in Implantaten unerlässlich ist. Die SpinPlant GmbH konzentriert sich im bis Ende März 2020 laufenden Forschungsprojekt auf die Optimierung der Vliesherstellung, insbesondere auf die Abscheidung auf dem Implantat-Material. Die Kernaufgaben des Fraunhofer IMWS sind die Oberflächenmodifizierung der PEEK-Implantat-Oberflächen sowie die physikalischen und strukturellen Untersuchungen der neu entwickelten Materialsysteme.

Peek Implantat Kunststoff Fraunhofer IMWS
© Fraunhofer IMWS
Links: PEEK-Cage-Implantat für die Posteriore Lendenwirbelkörper Fusion (PLIF). Mitte: Medizinisches PEEK-Ausgangsmaterial zur Herstellung von Implantaten. Rechts: Kohlestofffaserverstärktes PEEK-Material