Was muss ein IMWS-Wissenschaftler mitbringen?

Wissenschaftler bei Fraunhofer müssen vielseitige Persönlichkeiten sein: Forscher und Manager in einer Person, den Industriekunden und die Forschungsentwicklung gleichermaßen im Blick behalten. Wie nun der perfekte wissenschaftliche IMWS-Mitarbeiter aussieht und welche Fähigkeiten gesucht sind, erklärt der ehemalige Institutsleiter Professor Dr. Matthias Petzold.

Matthias Petzold Institutsleiter des Fraunhofer IMWS
Prof. Dr. Matthias Petzold, ehemaliger Institutsleiter

Wie sieht für Sie der perfekte IMWS-Wissenschaftler aus?

Das ist relativ einfach zu beantworten: Er oder sie kombiniert anerkannte wissenschaftliche Kompetenz im Themenfeld Materialwissenschaften und Mikrostruktur mit Interesse an Aufgabenstellungen aus der Praxis und der Fähigkeit, persönliches Wissen und Können in technologieorientierte Problemlösungen umzusetzen. Man sollte also Neugier, Lust und Freude daran haben, praktisch wichtige Dinge zum Funktionieren zu bringen, dabei mit Partnern aus der Industrie zusammenzuarbeiten und sich deren Problemen und Entwicklungszielen zu stellen. Dies setzt außer der Kenntnis des Forschungsfeldes auch Kenntnisse zu Anwendung und Markt voraus. Insbesondere erfordert das aber eine eng an Zielstellung und Ergebnis ausgerichtete Arbeitsweise sowie Zeiteffizienz und Termintreue gegenüber Kunden. Hinzu kommt das Talent, Projekte und Mitarbeiter zu führen und effizient zu organisieren. Kurz: Im IMWS sind wissenschaftliche Mitarbeiter gefragt, die materialwissenschaftliche Fachkompetenz und Managementfähigkeiten für eine am Problem und Kunden orientierte anwendungsnahe Forschung einsetzen.

Wissenschaftler und Manager industrienaher Forschung: Darf man diese Kombination bei (neuen) Mitarbeitern, wie zum Beispiel Hochschul-Absolventen voraussetzen?

Nein, das glaube ich eher nicht. Man kann es sich aber erarbeiten. Als wir hier in Halle 1992 als Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR oder Universitätsangehörige in das »System Fraunhofer« aufgenommen wurden, waren die Anforderungen komplett neu und in keiner Weise mit bekanntem zu vergleichen. Wir haben damals einen anfangs schwierigen und manchmal  auch schmerzhaften Entwicklungsprozess durchgemacht, bis wir es gelernt hatten, uns konsequent am industriellen Bedarf zu orientieren und mit Forschung Geld zu verdienen. Viele der heutigen Universitätsabsolventen sind auf eine anwendungsorientierte Arbeitsweise und ein effizientes Ergebnismanagement nur wenig vorbereitet. Das kann ja aber auch nicht erwartet werden. Die Arbeit bei Fraunhofer ist daher in jedem Fall eine gute Schule für diejenigen, die sich später ein Tätigkeitsfeld in der Industrie vorstellen können. Diese Form der Qualifizierung hat sich die Fraunhofer-Gesellschaft ja auch als Aufgabe gestellt – neben ihrer Forschungstätigkeit bereitet sie ihre Mitarbeiter auch auf die Übernahme verantwortlicher Tätigkeiten in der Industrie vor.  

Bedeutet das learning by doing? Oder wie werden die Fähigkeiten erworben?

Zu einem großen Teil ja, aber nicht ausschließlich. Neue Mitarbeiter werden bei uns möglichst schnell in Industrie-Projekte mit eingebunden. Mit zunehmender Erfahrung erfolgt dann eine stufenweise Übertragung von Verantwortung. Diese Projektarbeit ist in unserem Geschäftsfeld die beste Schule, anders funktioniert das nach unserer Erfahrung auch gar nicht. Dieser Prozess muss natürlich begleitet werden durch Unterstützung und Weiterbildung. Das geschieht zum einen intern durch den Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern, über die Begleitung und Anleitung durch Erfahrungsträger. Zum anderen stehen interne und externe, auf die fachliche Kompetenz oder die persönliche Weiterentwicklung ausgerichtete Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Wir werfen also unsere Mitarbeiter möglichst schnell ins kalte Wasser, aber an einer Rettungsleine, bis sie selbst immer besser schwimmen können.

Wissenschaftler und Manager industrienaher Forschung: Wie sehen Sie denn dann die Rolle der Dienstleistung im IMWS?

Anwendungsnahe Forschung steht ja im Spannungsfeld zwischen Dienstleistung für Unternehmen und eigener Innovation. Die Rolle der Dienstleistung für die Entwicklungen der Industrie sollte dabei nicht unterschätzt werden. Dienstleistungen bieten eine exzellente Möglichkeit, mit den Zielpartnern in der Industrie überhaupt erst einmal in Kontakt zu kommen und dabei zu lernen, was das Unternehmen tatsächlich braucht. Man wird dabei auch mit den aktuellen Technologien vertraut und kann dieses Wissen als Ausgangsbasis für tatsächlich relevante Weiterentwicklungen liefern. Über eine zuverlässige Arbeit wird dabei gleichzeitig das nötige Vertrauensverhältnis aufgebaut, bevor ein Institut als qualifizierter Partner akzeptiert und von Unternehmen später in deren weiterführende Innovationsprojekte eingebunden wird. In den dienstleistungsorientierten Forschungsarbeiten wird zusätzlich die bereits schon angesprochene ergebnis- und terminorientierte Arbeitsweise der Mitarbeiter im Team trainiert. Und nicht zuletzt trägt die Dienstleistung zum Industrie-Ertrag des Instituts bei und sichert die finanzielle Basis auch für diejenigen Arbeiten, die dem Aufbau neuer Felder in anderen Bereichen dienen. Es gibt sicher auch andere Zugänge. Aber auch institutseigene methoden-, technologie- oder materialorientierte Innovationen  werden sich letztendlich in den Dienstleistungsgedanken für eine übergeordnete industrielle Entwicklung einordnen – wir stehen als materialorientiertes Institut ja meist am Beginn der Wertschöpfungskette hin zum Endprodukt.

Wie können sich die IMWS-Wissenschaftler auf das Zusammenspiel zwischen Industrieprojekten und öffentlicher Förderung einstellen?

Öffentliche Forschungsprojekte bieten Chancen, eigenes Vorlaufwissen und technologisches Know-how aufzubauen. Das erfolgt typischerweise aber auch in Form von Verbundvorhaben mit Industriepartnern. Auch in neuen Feldern lassen sich damit die Ausrichtung eigener Forschungsarbeiten auf einen zukünftigen Industriebedarf abstimmen. Eine reine Fraunhofer-Eigenforschung hat aber auch ihren Platz, vor allem, wenn das Ziel im Aufbau des nötigen Know-how-Vorsprunges oder eines eigenen verwertbaren Patent-Portfolios geht. Insgesamt geht es dabei immer um die Frage: Wie positionieren wir uns für die Zukunft? Welches Wissen und Know-how wird wirklich nachgefragt sein und gebraucht werden? Öffentlich geförderte Vorhaben sollten jedenfalls keine Zufluchtsstätte vor der eigentlichen Auseinandersetzung am Markt und im Wettbewerb sein.

Was motiviert Sie persönlich in Ihrer Arbeit?

Uns steht eine exzellente Arbeitsumgebung zur Verfügung, die sehr gute Möglichkeiten und Chancen für die weitere Entwicklung bietet. Diese Investitionen sehe ich als eine Verantwortung für die Zukunft und als einen auf uns übertragenen Vertrauensvorschuss, der auf den Leistungen des IMWS in den vorangegangenen Jahren und auf der dadurch erarbeiteten Akzeptanz als verlässlicher und zuverlässiger Partner beruht. Aber insbesondere auch das Feedback von Partnern, die aus unseren Ergebnissen sofortigen unmittelbaren Nutzen für ihre Produkte ziehen, stellt immer wieder eine hohe Quelle der Motivation dar. Die Arbeit in der angewandten Forschung kann somit immer wieder auch Freude am unmittelbar sichtbaren Erfolg in attraktiven Forschungsthemen bieten. Das ist auch die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit im Team und für die persönliche und fachliche Entwicklung aller Mitarbeiter.