Degradationsuntersuchungen an Lacksystemen

Wer kennt es nicht: Die Gartenmöbel, die im Frühling frisch gestrichen noch im satten Braun glänzten, wirken schon nach wenigen Sommern stumpf, spröde und rissig. Die einst glatte Lackschicht beginnt sich abzulösen. Schuld daran sind Verwitterungsprozesse: Feuchtigkeit durch Regen, Schnee und Tau setzt den Oberflächen ebenso zu wie die Sonnenstrahlung. Speziell der ultraviolette (UV) Anteil im Spektrum der Sonne zersetzt im Lauf der Zeit die chemischen Bindungen im Lack, ein Prozess, der als Photodegradation bezeichnet wird.

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Abb. 1: Schematische Darstellung einer pigmentierten Lackschicht auf einem Substrat. Die Talkum-Pigmente sind durch aufgefällte organische und/oder anorganische Beschichtungen mit einer UV-Schutzwirkung versehen.

Doch was genau passiert dabei auf molekularer Ebene? Und wie kann man Lacke entwickeln, die länger halten und Witterungseinflüssen besser trotzen? Diesen Fragen widmete sich ein Forschungsprojekt mit Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS. Weitere Projektpartner im Rahmen der CORNET (Collective Research Networking)-Initiative, einem internationalen Netzwerk von Förderorganisationen für Forschungsprojekte zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen waren das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie die belgischen Forschungseinrichtungen Materia Nova A.S.B.L. und Belgian Building Research Institute. Gemeinsam gingen sie den Mechanismen der Photodegradation in Lacken auf den Grund – und untersuchten, inwieweit man Lacksysteme durch den Einsatz von UV-Schutzpartikeln deutlich widerstandsfähiger machen kann.

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Abb. 2: Beispielhafte Darstellung der Intensitätsverteilung komponentenspezifischer Massensignale (hier: für Maprenal und Uralac) im Tiefenprofil des nicht-pigmentierten 2K-Polyestersystems ohne (blau) und mit UV-Belastung (verschiedene Belastungszeiten).

Im 2024 abgeschlossenen Projekt »PhotoProtect« sorgte das Team am Fraunhofer IMWS vor allem für ein besseres Verständnis der Degradationsprozesse. Mittels ToF-SIMS-Analyse wurde die lacktiefenabhängige Veränderung verschiedener Lacksysteme (1K-Acrylat, 2K-Polyurethan, 2K-Epoxyprimer und 2K-Polyester) untersucht, die durch eine künstliche Bewitterung, einer sogenannten suntest-Auslagerung, einem beschleunigten Alterungsprozess unterzogen wurden. 

Üblicherweise werden für solche Untersuchungen des Degradationsverhaltens Methoden auf Basis von Infrarot- oder Raman-Spektroskopien (Ermittlung des so genannten Photooxidationsindex, POI) eingesetzt. Im Vergleich dazu bietet die am Fraunhofer IMWS vorhandene Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie-Technik (ToF-SIMS) bei Verwendung einer Gas-Cluster-Ionenquelle die Möglichkeit, die Lackschicht Lage für Lage von der Oberfläche bis zum Substrat schonend abzutragen, und von jeder »frisch« aufgedeckten Schicht ein Massenspektrum aufzunehmen. Somit kann tiefenabhängig genau analysiert werden, welche Polymergruppen einer Veränderung ausgesetzt sind.

Dies erwies sich als zielführend für die Betrachtung der schichttiefenabhängigen Degradation der unterschiedlichen Komponenten der Modellsysteme. Besonders beispielhaft zeigte sich dies in dem verwendeten zwei-Komponenten-Polyestersystem mit den Hauptbestandteilen Uralac (Polyester) sowie Maprenal (Melamin-Formaldehyd-Harz).

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Abb. 3: Beispielhafte Darstellung der Intensitätsverteilung komponentenspezifischer Massensignale (hier: für Maprenal und Uralac) im Tiefenprofil des pigmentierten 2K-Polyestersystems ohne (blau) und mit UV-Belastung (verschiedene Belastungszeiten.

In den erhaltenen ToF-SIMS-Tiefenprofilen ist erkennbar, dass die UV- und temperaturinduzierte Degradation (Zerfall langkettiger Komponenten des Lackes und Oxidation) für diese Bestandteile unterschiedlich verläuft: Nach 500 Stunden Suntest-Auslagerung ist die Uralac-Komponente kaum betroffen, Maprenal hingegen zeigt im oberflächennahen Bereich einen starken Degradationseffekt. Erst bei längerer Bewitterung (1.600 Stunden, 2.800 Stunden) zeigen sich eine durchgehende Degradation über die Lacktiefe für Maprenal (mit abnehmender Tendenz in Richtung Substrat) und auch stärkere, aber tiefenhomogene Degradationen für Uralac. Dass dieser Effekt insbesondere im Deckschichtbereich der Beschichtung erkennbar ist und mit zunehmender Tiefe bzw. Dicke der Beschichtung abnimmt, ist ein Nachweis für die Tiefenabhängigkeit des Prozesses: die Zersetzung startet, wie erwartet, »von oben«.   

Aufbauend auf diese Ergebnisse, wurden Talkum-Partikel, die durch spezielle Beschichtungsprozesse am Fraunhofer IPA und bei Materia Nova mit organischen (Tinuvin, HALS) und/oder anorganischen (TiO2, CeOx) dünnen Beschichtungen mit UV-Schutzwirkung »ummantelt« wurden, in die Lackformulierungen eingebracht. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Photodegradation schichtdickenabhängig in pigmentierten Polyester-Beschichtungen. Betrachtet man wieder die beiden Hauptkomponenten der 2K-Polyester-Beschichtung, so erkennt man, dass sich prinzipiell die gleichen Trends in der Degradation zeigen – d.h. eine stärkere Degradation der Maprenal-Komponente im Vergleich zur Uralac-Komponente, sowie eine erkennbare Tiefen- bzw. Lackdickenabhängigkeit (stärkere Degradation im oberflächennahen Bereich). Allerdings verzögert der Einsatz der UV-Schutz-Pigmente die einsetzende Degradation deutlich: nach 500 Stunden Bewitterung zeigt sich in den pigmentierten Systemen noch so gut wie keine erkennbare Degradation, und auch nach längerer Bewitterung (1.600 Stunden) ist zunächst nur ein oberflächennaher Degradationseffekt im pigmentierten System erkennbar. Erst nach sehr langer Bewitterung ist eine deutliche Degradation – wiederum vor allem der Maprenal-Komponente des Lackes – erkennbar.

Das Beispiel zeigt, wie eine schonende, tiefenaufgelöste Polymeranalytik durch ToF-SIMS helfen kann, Degradationsprozesse in Lacken aufzuschlüsseln, und damit wertvolle Beiträge zur Entwicklung UV-resistenter Schutzlacksysteme liefern kann.

(19. Mai 2025)

In Deutschland werden Cornet-Projektteilnehmer über das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Programm Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) finanziert. IGF-Vorhaben Nr. 01IF000320C, Antragstellende Forschungsvereinigung: Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. – FPL