Nach einer Aneurysmaoperation besteht ein erhebliches Risiko für postoperative Gefäßspasmen, die zu schwerwiegenden Komplikationen führen können. Trotz intensiver Forschung fehlen bislang sichere Methoden, um die betroffenen Hirnareale gezielt mit Medikamenten zu versorgen. Genau hier setzt das Forschungsprojekt »BRAIN« des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS mit Sitz in Halle (Saale) an. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung innovativer, superporöser Schwämme, die als lokale Wirkstoffträger dienen und Medikamente direkt am Ort des Eingriffs freisetzen können. Mit diesem Ansatz soll das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen nach neurochirurgischen Operationen deutlich reduziert werden.
Die Behandlung von Gefäßerkrankungen des Gehirns stellt die moderne Medizin vor große Herausforderungen. Nach einer Aneurysmaoperation besteht ein hohes Risiko postoperativer Gefäßspasmen, die schwerwiegende Komplikationen wie Schlaganfälle oder ein erneutes Aufreißen des Aneurysmas, verursachen können. Die derzeitige Standardtherapie basiert auf der intravenösen Gabe von Nimodipin, einem Medikament, das die Gefäßverengung verhindern soll. Diese systemische Behandlung ist jedoch mit erheblichen Risiken verbunden, darunter Nebenwirkungen, hämorrhagische Schlaganfälle und im schlimmsten Fall der Tod.
Im Projekt »BRAIN – Superporöse retardierende Schwämme zur präventiven Behandlung postoperativer Gefäßspasmen« wird daher ein neuartiger Ansatz verfolgt: Die lokale und kontrollierte Freisetzung von Nimodipin direkt am Ort des Eingriffs. Hierzu werden superporöse Schwämme entwickelt, die mit dem Wirkstoff beladen werden und ihn über einen definierten Zeitraum gezielt an das umliegende Gewebe abgeben. Diese Methode verspricht eine deutlich höhere therapeutische Wirksamkeit bei gleichzeitig reduzierten systemischen Nebenwirkungen. Sie stellt somit eine überlegene Alternative zur herkömmlichen intravenösen Behandlung dar und kann wesentlich zur Prävention postoperativer Komplikationen und Todesfälle beitragen.
»Unser Ziel ist die Entwicklung von Materialien, die nicht nur technologisch hochinnovativ sind, sondern auch einen echten medizinischen Mehrwert bieten. Mit den superporösen Schwämmen schaffen wir die Grundlage für eine präzise und sichere Medikamentenfreisetzung im Gehirn – ein entscheidender Fortschritt für die neurochirurgische Behandlung«, erklärt Dr. Andrea Friedmann, Projektleiterin am Fraunhofer IMWS.
Die wissenschaftliche Arbeit am Fraunhofer IMWS konzentriert sich auf die Entwicklung, Herstellung und Charakterisierung der Schwämme. Für ausgewählte Polymere werden die geeigneten Prozessbedingungen zur Herstellung durch Elektrospinnen, Faserschnitt und Suspensionsherstellung ermittelt. Die so gewonnenen Materialien werden anschließend umfassend hinsichtlich ihrer physikochemischen Eigenschaften, ihrer Beladungs- und Freisetzungskapazität sowie ihrer biologischen Verträglichkeit untersucht. In umfangreichen In-vitro-Studien werden Biokompatibilität, Zytotoxizität sowie mögliche Entzündungs- und Immunreaktionen analysiert, um die Eignung der Materialien für den Einsatz im Gehirn sicherzustellen. Parallel dazu wird ein Konzept für den Technologietransfer vom Labor in größere Produktionsmaßstäbe entwickelt, um eine zukünftige industrielle Anwendung zu ermöglichen.
Die Entwicklung eines biokompatiblen, direkt im menschlichen Gehirn einsetzbaren Materials stellt komplexe Anforderungen an Forschung, Sicherheit und Zulassung. Dennoch bietet es zugleich ein enormes Potenzial: Die erfolgreiche Umsetzung kann einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung neurochirurgischer Therapien leisten.
(13. November 2025)