Die Erforschung von Hauterkrankungen, Wundheilungsprozessen und Alterungsphänomenen gehört zu den großen Herausforderungen der modernen Medizin. Bislang sind Wissenschaft und Industrie dafür häufig auf Tierversuche angewiesen. Diese liefern jedoch nur eingeschränkt übertragbare Ergebnisse und sind ethisch umstritten. Hier setzt das Forschungsprojekt »SkinVital« des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) an, in dem ein Perfusionssystem für humane Hautproben entwickelt werden soll.
Der Bedarf an neuen Therapieoptionen, Diagnostikverfahren und Pflegeprodukten für die Haut steigt, da sie als größtes Organ des Menschen nicht nur Schutz vor äußeren Einflüssen bietet, sondern auch eine zentrale Rolle im Immunsystem und in der Regulierung lebenswichtiger Prozesse spielt.
Das Projektteam will deshalb ein neuartiges technisches System entwickeln, das humane Hautexplantate über einen deutlich längeren Zeitraum vital erhält, als dies bisher möglich ist. Grundlage ist ein speziell konzipierter Vollhaut-Perfusionsstand, der eine kontinuierliche Versorgung der Haut mit Nährstoffen und Sauerstoff sicherstellt. Als Ausgangsmaterial dienen humane Hautproben, die in Zusammenarbeit mit dem BG Klinikum Bergmannstrost Halle (Saale) im Rahmen von Hautlappenplastiken gewonnen werden. Damit entsteht eine Forschungsplattform, die eine realitätsnahe Untersuchung der Wirksamkeit hautbezogener Medizin- oder Pflegeprodukte an menschlicher Haut unter kontrollierten Laborbedingungen ermöglichen kann.
Das Perfusionssystem umfasst ein speziell konstruiertes Gehäuse, das die Hautexplantate schützt und eine sterile Umgebung gewährleistet. Die Haut wird auf eine Hydrogelschicht gebettet, die optimale Bedingungen für die Versorgung und Stabilisierung des Gewebes schafft. Die Perfusionslösung selbst ist sorgfältig auf die Bedürfnisse des Gewebes abgestimmt und enthält Nährstoffe, Elektrolyte und Gase in einer Zusammensetzung, die der natürlichen Versorgung im menschlichen Körper möglichst nahekommt. Über ein Regelungssystem werden sowohl die Temperatur als auch der Perfusionsdruck konstant gehalten, um physiologische Bedingungen zu gewährleisten.
Während des Perfusionsprozesses wird die Lebensfähigkeit des Gewebes regelmäßig überwacht. Hierfür kommen immunhistologische Analysen zum Einsatz, mit denen sich die Vitalität und strukturelle Integrität der Haut beurteilen lassen. Darüber hinaus ermöglicht das Modell die gezielte Erzeugung definierter Wundzustände. So können Entzündungsprozesse detailliert untersucht und unterschiedliche Wundauflagen im direkten Vergleich getestet werden. »Angesichts einer alternden Gesellschaft und der steigenden Häufigkeit von Hauterkrankungen und chronischen Wunden schafft das humane Vollhaut-Perfusionsmodell ein Werkzeug, das nicht nur die Qualität der Forschungsergebnisse erhöht, sondern auch ethische Maßstäbe setzt«, sagt Dr. Andrea Friedmann, die das Projekt am Fraunhofer IMWS leitet.
Das Fraunhofer IMWS bringt in das Projekt seine umfangreiche Expertise in der Entwicklung innovativer material- und lebenswissenschaftlicher Technologien ein. »Wir schaffen eine neuartige Plattform mit großen Potenzialen für die Verbesserung der Forschung an humaner Haut. Zugleich stärken wir das wissenschaftliche Profil des Instituts im Bereich der biomedizinischen Forschung«, ergänzt Friedmann. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag, um den Weg für neue diagnostische und therapeutische Verfahren zu ebnen. Im Vergleich zu tierexperimentellen Studien wären Untersuchungen an humaner perfundierter Haut besser übertragbar, kostensparend und für industrielle Partner attraktiv.